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: Fernsehen von der Stange

„Wie Modetrends entstehen oder Sehnsucht nach einem anderen Ich“, Dienstag, 22.15 Uhr, B 1

Manchen Leuten erspart ein neues Outfit die teurere Psychotherapie. Neues Kleid, neues Ich, jubeln sie, nur hält dieses Glück nicht mal ein halbes Jahr vor. Dann wechseln nämlich die Trends und zwingen Modeaddicts zur Rundumerneuerung. Die Modebewußten geben visuelle Statements ab; sie pokern mit im Spiel, das auf dem Austausch optischer Botschaften beruht. Gewinner, sprich Trendsetter ist, wer die meisten Nachahmer findet.

Die Autorin Katja Aschke hat sich für uns modisch Desorientierte in Paris, London und Antwerpen umgesehen. Sie hat die Schönen, Reichen und Berühmten befragt und der Industrie in die Karten geschaut. Wer weiß schon noch, daß es Karl Lagerfeld war, der die Springerstiefel, einst Insignien der Skinheads, auf den Laufsteg brachte und damit weitgehend entideologisierte. Haute Couture ohne subkulturelle Einflüsse ist undenkbar.

Vivienne Westwood, Queen der Punkmode, und Jean-Paul Gautier geben diesem Fakt immer wieder den augenscheinlichsten Ausdruck. Mode ist das Neue, was man so noch nie gesehen hat und was deshalb möglichst oft wechseln muß. Wer spricht heute noch von der „neuen Einfachheit“ eines Helmut Lang, wo doch gerade „Afrika“ das Thema ist.

Katja Aschke setzt in ihrem TV-Essay mehr auf Illustration als auf Analyse. So kommt sie zu dem wenig überraschenden Schluß, daß eine mächtige Industrie vom Wechsel der Trends und ihrer cleveren Adaption lebt. Schnell wird die Idee zur Konfektion vervielfältigt und ist bei Woolworth zu haben.

Die eigentlichen Entwicklungen spielen sich hinter den Kulissen ab. Stylisten wittern zwei Jahre im voraus, welche Farben die künftige Mode bestimmen werden. Der Winter '96 wird „witzige Farberlebnisse“ bescheren. Vorher soll man sich jedoch für den von '95 ausstaffieren: mit blassen Sackgewändern und Arbeiterdrillich. Leute, die seit fünfzehn Jahren mit Jeans und Jackett zufrieden sind, muß das hübsche Spiel nicht kümmern. Dennoch scheint Mode immer wieder ein reizvolles Thema zu sein. Selbst Robert Altman dreht gerade einen Film über die Prêt- à-porter. Vielleicht beläßt es dieser dann ja, anders als Katja Aschke, nicht nur bei Plauderei. Anke Westphal