Fußball-Weltmeisterschaft
: Grasfressende Schnauzbartträger

■ taz-Umfrage offenbart: Bertis Buben werden es nicht packen

Heute abend eröffnet die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen Bolivien die Weltmeisterschaft in den USA. Was dies bedeutet, wagt nur ein Unwissender zu fragen – nichts ahnend, daß für gut vier Wochen wenig so sein wird, wie es normalerweise ist. Plötzlich und auf scheinbar unerklärliche Weise mutieren halbwegs normale Zeitgenossen zu sich ausschließlich für das runde Leder interessierenden Wesen. Wer ernsthaft behauptet, ihn würde die WM wirklich faszinieren, wird sich desöfteren fragen lassen müssen, ob er noch zurechnungsfähig sei. Kurz: vom vormaligen Tag der deutschen Einheit an ist es mit derselben vorbei. Allen etwaigen Reputationsverlusten zum Trotz hat die taz doch ein paar Freiwillige gefunden, die öffentlich bekennen „die WM läßt mich nicht kalt“.

Um es vorwegzunehmen:die BRD wird ihren Titel nicht verteidigen können, zumindest wenn es nach dem Gros unser Befragten geht. Einzig der Fanauftragte des FC St. Pauli, Sven Brux, glaubt an die „Ansammlung von verspießerten Schnauzbartträgern“, gönnt ihnen die WM-Krone jedoch nicht: „Das ist ein rein sportlicher Tipp, ich wünsche mir Irland.“ Damit wird es aller Voraussicht nach nichts werden. Eher damit, daß „irgend einer dem Laber-Lothar das Maul mit Gras stopft“, wie es sich der Sturmtank von Nirwana Eimsbüttel United, Marco Carini, wünscht. Schließlich empfahl Matthäus jüngst seinen Mannschaftkollegen vom FC Bayern, sie müßten wieder Gras fressen, um Erfolg zu haben.

Bleiben wir bei den Pessimisten. So prophezeit Klaus-Jürgen Dankert, HSB-Vizepräsident, der deutschen Elf das Scheitern im Viertelfinale und auch St. Pauli-Vize Christian Hinzpeter ist nicht eben optimistisch: „Italien wird Weltmeister, die Deutschen fliegen im Halbfinale raus.“ Dieser Ansicht ist auch Gaby Meyer, Telefonistin in der HSV-Zentrale, die ihren auf Spielersuche in den USA weilenden Manager Heribert Bruchhagen tiptechnisch vertreten darf. Ihre Begründung: „Die Mannschaft ist überaltert.“ Das fortgeschrittene Verfallsdatum vieler Kicker dürfte auch Michael Lorkowski , ehedem Trainer des FC St. Pauli, nicht entgangen sein, der dennoch von der Endspielteilnahme ausgeht: „Unsere Mannschaft ist von der taktischen Disziplin her am besten geschult.“

Auf die deutschen Tugenden ist halt verlaß, und wenn „Berti Vogts seine Spieler in den Griff kriegt, haben sie eine gute Chance“, meint Wolfgang Borchert, Verwaltungsdirektor am Ernst-Deutsch-Theater. Daran hat „Cabaret“-Conferencier Valentin Zahn gar keine Zweifel. „Die überrollen alles.“

Clemens Gerlach