Daten frei Haus aus zweiter Hand

■ Die Anzeigenzeitung „Zweite Hand“ gibt Daten über ihre InserentInnen an eine Sekte und die Polizei weiter

„Top Secret!“ So wirbt die Anzeigenzeitung Zweite Hand für ihren Chiffre-Service. „Nur wenn ein Gerichtsbeschluß vorliegt“, versichert die Geschäftsführung, „geben wir personenbezogene Daten von Inserenten an Dritte heraus.“ Das klingt vertrauenswürdig, ist aber nicht wahr. Nach Informationen der taz hat die Zweite Hand allein in den letzten vier Monaten in mindestens zwei Fällen persönliche Daten an Dritte weitergeleitet. An eine Sekte und an die Polizei. Ohne Gerichtsbeschluß.

Karin Krause* gibt Ende April zwei bezahlte Chiffre-Anzeigen auf. Sie sucht „Betroffene dieser Sekte“ – und meint die Neuapostolische Kirche. Bei ihrem Aufruf verwendet Krause das als Warenzeichen geschützte Symbol der Kirche: Ein Kreuz, das aus dem Wasser steigt, im Hintergrund eine strahlende Sonne. Am 4. Mai beschweren sich die Neuapostolen bei der Geschäftsführung des Offertenblattes über den Abdruck des Symbols und fordern „...Ihre Stellungnahme und Mitteilung des Veranlassers der Anzeige“.

Wie ein Verlag auf ein solches Ansinnen zu reagieren hat, ist eindeutig geregelt. Burkhard Schafeld, Justitiar des Zeitungsverlegerverbandes, Bonn: „Im Privatrechtsverkehr ist der Verlag unter keinen Umständen berechtigt, irgend jemandem Namen und Anschrift des Auftraggebers einer Chiffre-Anzeige bekanntzugeben.“ Dem Anzeigenblatt ist das egal. Mit Schreiben vom 11. Mai gibt die Anzeigenleiterin der Zweiten Hand die persönlichen Daten von Karin Krause an die Sekte weiter. Seitdem werden Krause und zwei weitere Sektengegner von Telefonanrufen terrorisiert. Einer der Betroffenen hat inzwischen Strafantrag gegen die Neuapostolische Kirche gestellt.

„Ich finde das auch bedauerlich, daß unser Rechtsanwalt so entschieden hat“, sagt Herbert Borrmann, Geschäftsführer der Zweiten Hand, der taz lapidar. Noch zwei Atemzüge vorher hat er erneut verkündet, daß Chiffre-Anzeigen der „absoluten Geheimhaltung“ unterlägen. Die Neuapostolen reagieren wie die Lämmer. Fritz Schröder, Präsident und Oberapostel in Berlin-Brandenburg: Die Forderung nach Herausgabe der Adresse wäre ein „Lapsus“ seines Mitarbeiters gewesen: „Die Zweite Hand hätte das nicht machen dürfen.“ Von den anonymen Anrufen will sich Schröder „strengstens distanzieren“ – räumt aber ein: „Ich kann nicht ausschließen, daß irgendein Mensch, den ich nicht kontrollieren kann, daraus einen heiligen Krieg gemacht hat.“ Die Munition dazu lieferte die Zweite Hand.

Konrad Krumme* gibt Ende 1993 drei unbezahlte Kleinanzeigen auf. Er will Elektrogeräte verkaufen. Im Februar 1994 meldet sich die Polizei bei der Zweiten Hand. Sie will wissen, ob und wie oft Krause Anzeigen geschaltet hat. Die Zeitung fackelt nicht lange: Bei einem Besuch der Polizei in der Redaktion gibt sie alle vorhandenen Krumme-Daten heraus: Adresse, Telefonnummer, Inhalt, Anzahl und Termine der Inserate. Verpflichtet ist sie dazu ohne Gerichtsbeschluß überhaupt nicht. An die Polizei darf ein Verlag Informationen geben, muß aber nicht.

„Diese Daten können wir gar nicht weitergeleitet haben“, versucht sich Geschäftsführer Borrmann herauszureden, „bei kostenlosen privaten Kleinanzeigen erfassen wir weder den Namen noch die Adresse, nur die Telefonnummer.“ Mit den Informationen der taz konfrontiert, muß er dann allerdings zugeben: Wenn ein Kunde sein Inserat schriftlich einreicht, wird der Coupon archiviert. „Diese Coupons“, so Borrmann, „werden aber noch nicht einmal einen Monat aufbewahrt.“ Auch das entspricht nicht der Wahrheit. Konrad Krumme hat zwei Anzeigen am 9.12., eine am 28.12. 1993 geschaltet. Herausgegeben wurden seine Daten am 18. Februar 1994. Also rund sieben Wochen später. Bascha Mika

*Namen von der Redaktion geändert