Sündiges Souterrain

■ ...mit 60er-Jahre-Charme: die „Apollo Sauna“

Franz hält seine Gäste am besten bei Laune. Der gebürtige Niederländer, der keine Lust hat, den Rudi-Carrell-Sound als Akzent zu kultivieren, steht hinter dem Tresen und plaudert mit dem Volk auf den Barhockern: Franz, wahrscheinlich Anfang vierzig, ist neben dem Masseur, der in einem Anfall vorbeugender Hysterie keinen Wert darauf legt, namentlich genannt zu werden, die gute Seele des Ladens. Der heißt „Apollo Sauna“, liegt im Souterrain eines Hauses in der Nähe des Schulterblatts und ist einer der beliebtesten Kontaktorte der männlichen Homoszene Hamburgs.

Die „Apollo“ gibt sich, ohne dies beim Namen zu nennen, kommunistisch: Die Klassen scheinen abgeschafft, sobald die Hüllen gefallen sind. Dann treffen TV-Stars auf Ingenieure, Schallplattenverkäufer auf Architekten, Studenten auf Forstarbeiter - bedeckt nur mit Handtuch um die Hüfte, manchmal auch mit Badelatschen. Neun Kabinen stehen Sexuellem offen, ein Darkroom rundet das Arrangement, das nicht auf Romantik setzt, ab.

Was die Sauna so beliebt macht, was einen Berliner Szenegänger „Soviel Trash war noch nie“ ausrufen läßt, ist allerdings etwas anderes: Während im „Schwitzkasten“ (Altona) oder in der „Melidissa“ (Nähe S-Bahn Holstenstraße) vor allem das gediegene Ambiente gepflegt wird, zeigt man in der „Apollo“, wie wenig es auf Äußeres ankommt. Innen ist sie beige und braun getüncht, Stoffnelken (eine Idee von Franz) hängen von der Bardecke, im Keller dominiert Schmuddellook, auch in puncto Beleuchtung kümmert man sich einen Dreck um den Zeitgeist: Gegen die „Apollo“ ist es nachts an der Außenalster taghell.

Nichts in der „Apollo“ gilt, wer auf Distinktion pocht: Es herrscht der joviale Kammerton vor; fast wie in einer Eckkneipe - würden einzelne Lustschreie nicht signalisieren, daß auch das Körperliche durchaus nicht beim Sport aufhören muß. Schön auch, daß dort die Alten, die Faltigen und Welken, nicht darben müssen. Im Stadtführer „Hamburg von hinten“ wird dies beschrieben mit dem Hinweis, „gestandene Männer“ bevorzugten diese Sauna. In Wirklichkeit spielt sich dort das gleiche Elend und das gleiche Glück ab wie andernorts auch: Man gibt sich bedeckt, schubbert sich aneinander und kommt sich doch nicht zu nah.

Denn in der „Apollo-Sauna“ geht es um die einzige Gemeinsamkeit, die schwule Männer miteinander haben: Sex. Um Sex, der nicht konspirativ angebahnt werden muß, sondern fraglos erhofft werden kann, ohne Angst haben zu müssen, als Schwuler entdeckt zu werden. Die „Apollo“ ist so in jeder Hinsicht rustikal - und ein netter Ort, der nur für völlig Außenstehende als Lasterhöhle wahrgenommen wird.

Franz sprüht derweil sein volles Haar mit Spray ein, trällert dazu ein Couplet der Marianne Rosenberg. Es hat ja etwas Heimeliges, so viel Charme der Sechziger. Stonewall findet in der „Apollo-Sauna“ selbstredend nicht statt: Man schwört auf Gediegen- und Verschwiegenheit. Vielleicht ist es auch nur eine Haltung, die Heterosexuellen eh nur schwer zu erklären ist: Sex ist wie Pinkeln, nur anstrengender. Arne Fohlin