Die Schlafmütze Papst

■ Der Sexualwissenschaftler Gunter Schmidt sieht eine neue „political correctness“ in den heutigen Beziehungen

Das Sexualwissenschaftliche Institut der Uni Hamburg hat seit den 50er Jahren durch seine Arbeit zu einer Liberalisierung bei der Strafverfolgung Homosexueller beigetragen. Die taz sprach mit dem Leiter des Instituts, Gunter Schmidt.

taz: Welche Rolle spielen Homosexuelle in Ihrer Beratungstätigkeit?

Schmidt: Nur eine sehr kleine. Während dieser Bereich früher einen Schwerpunkt bildete, hat sich inzwischen ein gutes Netz an Selbsthilfegruppen gebildet, die den Großteil aller damit zusammenhängenden Probleme abfangen. Ich bin über diese Entwicklung sehr froh, weil das zeigt, daß eine große gesellschaftliche Toleranz entstanden ist.

Trotzdem gibt es Homosexuelle, die bei Ihnen Rat suchen.

Ja, aber sie kommen im Grunde mit den gleichen Problemen wie Heterosexuelle, zum Beispiel mit Potenzstörungen. Ab und zu haben wir auch schon mal einen Vater oder eine Mutter, die wir trösten müssen, weil sie nicht damit zurechtkommen, daß ihr Kind sich geoutet hat.

Sehen Sie eine konservative Tendenz gegen den liberalen Umgang mit Sexualität in den letzten Jahren?

Ich halte die Liberalisierung für unaufhaltsam. Der einzige, der heutzutage noch an die alte Sexualmoral glaubt, ist doch der Papst. Allerdings sehe ich schon, daß etwas Neues entsteht, was ich als „Verhandlungsmoral“ bezeichnen würde. In einer Partnerschaft ist heute so gut wie alles möglich, solange sich die Beteiligten darüber einig sind. Ein neues Tabu existiert da, wo Sexualität mit Aggression oder mit Übergriffen auf andere einhergeht. Man könnte sagen, so eine Art „political correctness“ auf sexuellem Gebiet gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Damit wird aber einer der letzten Randbereiche unserer durchrationalisierten Welt von spontanen Gefühlen gereinigt.

Das kann man so sehen. Auf alle Fälle empfinden viele es als immer komplizierter, miteinander umzugehen.

Etwa ein Fünftel ihrer PatientInnen sind Transsexuelle. Wie stehen Sie selbst zu Geschlechtsumwandlungen?

Grundsätzlich sollten solche gravierenden körperlichen Eingriffe der letzte Schritt sein. Viel wichtiger ist es, psychologisch zu helfen, denn hinter dem Wunsch nach Geschlechtsumwandlung steckt oft auch der Konformitätsdruck der Gesellschaft. Natürlich sperre ich mich nicht dagegen, wenn die Betroffenen trotzdem einen operativen Eingriff wollen. Das gleiche gilt zum Beispiel bei Impotenz. Therapeutische Maßnahmen sind meist viel sinnvoller als Operationen. Glücklicherweise fällt die jüngere Generation da viel weniger dem Machbarkeitswahn älterer Männer anheim.

Die Fragen stellte Ute Schmölz