Schwulenmagazin Magnus im Visier der Neonazis

■ Rechter Kneipier aus St. Georg verklagt Journalisten / Homos spalteten Faschisten

Das Schwulenmagazin „Magnus“ ist wegen eines Berichtes über die Hamburger schwule Neonazi–Szene ins Visier der Rechtsradikalen geraten. „Can-Can“-Kneipier Lothar Worbel aus St. Georg und der Neonazi-Verteidiger Jürgen Rieger versuchen in einem aufwendigen Verfahren, dem Magazin unter Androhung einer 500 000 Mark Geldstrafe untersagen zu lassen, weitere Einzelheiten über Worbels rechtsradikales Treiben und seine Verbindungen zur nationalen Homo-Szene zu verbreiten.

„Als Nazis geboren? – Schwule Nazis schneidern sich ihre eigene Ideologie“, so lautete die Magnus-Titelstory im vergangenen September. In seinem Bericht hatte sich Autor Paul Mahnken vor allem der Hamburger schwulen Neonaziszene gewidmet. Mahnken nutzte die These vom Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Ernst Uhrlau, der meint: „In dem Augenblick, wo Neonazis konsequent wären, müßten sie Homosexuelle aus ihren Reihen werfen. Dies werden sie nicht tun, weil sie dann Kampfgenossen verlieren. Stattdessen bauen sie das Scheinargument auf, die Privatsphäre ihrer Kameraden interessiere sie nicht.“

Homosexualität war in der Neonazi-Szene stets ausgeprägt und hat sie zugleich oft gespalten. 1986 startete zum Beispiel Jürgen Mosler, Konkurrent des bis dato unangefochtenen schwulen Neonazi-Führers Michael Kühnen, eine Hetzkampagne gegen Homosexuelle. „Schwule sind Verräter am Volk und damit an uns“, so Mosler. Der Streit unter den „Kameraden“ führte zur Spaltung der Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands (FAP). Kühnen, der 1991 an Aids gestorben ist, und seine Gefolgsleute verliessen die FAP und gründeten die Nationale Liste (NL).

Schon Anfang der achtziger Jahre hatte es in Kühnens Vorläuferorganisation „Aktionsfront Nationale Sozialisten“ (ANS) einen heftigen Disput um „Homosexuelle und andere sexuell Abnormale“ gegeben. In einem Flugblatt wurden die Neonazis Johannes Bügner und Philipp Schönmann als „Homos“ denunziert. In der Nacht zum 29. Mai wurde Bügner von Kameraden aus dem „Can Can“ gelockt und später ermordet. Den Mordauftrag gab Kühnens Stellvertreter Michael Frühauf.

Nach den Magnus-Recherchen ist das „Can-Can“ noch immer Treff schwuler Neonazis. Das bestreitet Lothar Wrobel ebenso wie den Verdacht, daß Kühnen im „Can-Can“ Mitglieder für seinen 1986 verbotenen Kampfverband ANS rekrutiert und nach seiner Haftentlassung in Wrobels Wohnung Unterschlupf gefunden habe

Der Prozeß dauert bereits ein halbes Jahr. In der vergangenen Woche konnte Magnus einen Punktsieg erzielen. Autor Paul Mahnken wies nach, daß er Wrobel telefonisch mit allen Recherche-Ergebnissen konfrontieren wollte. Der habe sie jedoch nicht dementiert, sondern nur aufgebracht den Hörer eingehängt. Wrobel und Anwalt Rieger scheinen in dem Zivilverfahren offenkundig weniger Interesse an dem Sachverhalt des Artikels zu haben. Vielmehr scheint ihnen daran gelegen, die Identität derjenigen herauszufinden, die etwas über die schwule Neonazi-Szene wissen. Die erste Frage Riegers an den Journalisten Mahnken zielte auf Preisgabe von dessen Anschrift, und das ist für ein Zivilverfahren völlig unüblich. Der Prozeß wird im August fortgesetzt.

Eugen Kirch jr.