Das Lighthouse soll endlich leben

■ Fünf Jahre Kampf um ein Haus für Menschen mit Aids / Ein fertiges Konzept wartet auf seine Umsetzung / Neue Kampagne mit Tunten-Kleinkunst und Benefizen für Solidarität

Die Polizei war sofort vor Ort. In einer kalten Kreuzberger Winternacht des Jahres 1989 versuchten Aids-Aktivisten eine leerstehende Privatklinik in der Methfesselstraße zu besetzen. Ihr Ziel: ein Hospiz für Menschen mit Aids.

Das Gebäude steht noch immer leer. Inzwischen stirbt in Berlin täglich ein Mensch an Aids – oft unter furchtbaren, vermeidbaren Umständen. Die Idee vom humanen Ort für Leben und Tod wurde nie aufgegeben. Berge von Papier sind seither produziert worden, Verhandlungen und Gespräche haben im Dutzend stattgefunden.

Das Konzept ist revolutionär: Mitten im Leben und doch geschützt, hervorragend gepflegt, aber selbstbestimmt und individuell bis zum Tod sollen unheilbar Kranke und Sterbende in Einzelzimmern leben dürfen, wenn sie weder allein noch ins Krankenhaus abgeschoben sein wollen.

Soweit entspräche das Ganze dem traditionellen Begriff „Hospiz“, den die Initiative aber inzwischen zurückweist. Denn ihr Konzept geht weiter: Ein „Lighthouse“ soll es werden, in Anlehnung an Gründungen in London und Basel.

Das Berliner Lighthouse soll neben dem ruhig gelegenen Hospiz für jedermann zugänglich Restaurant, Café oder Kneipe, Bibliothek, Fortbildung, Kleinkunst, Fitness- und Tagungsräume beherbergen. Zunächst war sogar an eine schwule Sauna gedacht. So sollen Ausgrenzung und Diskriminierung von Aidskranken bekämpft, lange, schwere Krankheitsphasen sinnvoll gelebt und das Sterben würdig werden können. Angehörigen soll die Wahrnehmung von Solidaritätsangeboten ermöglicht werden.

Genial ist die „pädagogische“ Idee, die Szene mit attraktiven Angeboten anzulocken, Austausch zu fördern, dem jetzt schon bestehenden Aidsgetto in Berlin endlich entgegenzuarbeiten. Klar, daß ein solches Haus verkehrsgünstig mitten in der Stadt liegen muß. Ein Ansatz, der auch präventiv wirkt: Wer sich dem Thema und den Menschen stellt, schützt sich konsequent. Weiterer unverzichtbarer Teil soll ein ambulanter Pflegedienst sein.

Bernd Vielhaber, der die Idee schon seit seiner Arbeit beim bundesweit vorbildlichen, ganzheitlichen Pflegedienst „HIV e.V.“ begleitet, hat nun auf einer befristeten Stelle bei der Berliner Aids Hilfe erneut ein komplettes Konzept inklusive Finanzierung erarbeitet. Bei 20 Betten in behaglichen kleinen Einzelappartements kommt seine Kalkulation bei 85 Prozent Auslastung auf einen Tagessatz von 292,29 Mark – für intensive Pflege plus Sachkosten, weitere Festkosten des Lighthouses hinzugerechnet, entsteht je Patient ein Endsatz von 427 Mark je Tag. Zum Vergleich: Auf den Aidsstationen der Krankenhäuser wird mit Tagessätzen von mittlerweile über 1000 Mark gearbeitet.

Klar, daß die Lighthouse-Bewegung überall offene Türen einrennt – und dennoch kaum voran kommt. Krankenkassen und Politiker sind im Prinzip dafür, in Bonn liegen Gelder in einem Topf für Hospize. Probleme macht die Abrechnung, weil eine solche Utopie von selbstbestimmtem Kranksein und Sterben in unserem ausgrenzenden Sozialrecht bislang nie angedacht wurde. Gesundheitssenator Luther (CDU) läßt derzeit nach einem Haus suchen.

Das kleine Aktivistengrüppchen, das derzeit mit Postkarten, schräger Tunten-Kleinkunst und Benefizen eine Kampagne startet, benötigt massenweise Solidarität und Geld. Genauso wichtig ist es, endlich eine passende Immobilie zu finden. Dafür ist erforderlich, daß das Lighthouse zur zentralen Forderung der Berliner Aids-Solidaritäts-Bewegung wird. tom-

Sonderkonto Hospiz der Berliner Aids Hilfe, Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 100 205 00), Kto. 31322-06, Stichwort Hospiz. Kontakte zu Lighthouse e.V. über die BAH, Meinekestraße 12, 10719.