■ CSD im Dreierpack
: Drei sind nicht genug!

Nichts gegen Solidarität, aber wir sind uns nicht einig. Die FunktionärInnen haben sich heillos zerstritten – offensichtlich nicht nur über Inhalte, sondern auch wegen Profilierungskisten. Die breite Basis ist verstört, hat sie sich doch weder für die Auseinandersetzung interessiert, noch den CSD endlich selbst in die Hand genommen. Wer bietet den größeren Spaß zum Feiertag, wer organisiert ihn politisch korrekter?

Bald nach Stonewall 1969 wußten wir, daß unsere Sexualität keine allumfassende Identität zu stiften vermag. Doch täuschend lange funktionierte das schwule Einheitskonzept mit lesbischen Einsprengseln: Demo, Kundgebung, Fete. Die Spaltung 1993 nur ein Ausrutscher? Diese Hoffnung hat getrogen. Was ist nun so falsch an mehreren Demos? Wenn keine Einheit besteht, warum eine vorgaukeln? Wo Vielfalt zur Beliebigkeit verkommt (Stichwort: Kranzabwurf an des Kanzlers Neuer Wache), wird Abgrenzung unvermeidlich. Es geht nicht um den einen, richtigen CSD!

Gegen die Schließung der Lesben- und Schwulenberatung 1993 half auch nicht eine einzige Aktion, sondern das abgestimmte Vorgehen der verschiedensten Kräfte auf unterschiedlichen Wegen. Berlin hat 23 Bezirke – wäre es nicht ein Zeichen von Stärke, durch jeden eine Demo zu schicken? Neukölln ist ein Anfang; wer versorgt Hellersdorf und Spandau, Marzahn und Tempelhof?

Schaffen wir zwei, drei, viele CSD-Demos. Vielleicht reift dann auch die Fähigkeit, einander gelassener zu ertragen. Dabei muß getrenntes Laufen nicht gemeinsames (Zurück-)Schlagen ausschließen – und darum ging es doch 1969 in der Christopher Street!?! Dieter Telge