Einwurf, Auswurf
: Einem Lichtbildvortrag in Oberursel gleich

■ Über Hamburger Hockeyhooligans beim 7:0-Sieg der Deutschen gegen Pakistan

Wie werden eigentlich Menschen genannt, denen überschwengliche Freude oder offen zur Schau gestellte Emotionen ein Groll sind? Vielleicht distinguiert, vielleicht hanseatisch unterkühlt? Hier ein Vorschlag zur Güte: Hockeyfans.

Da bezwingt die nach der Olympiade (Goldmedaille in Barcelona) neu formierte deutsche Männer-Nationalmannschaft den amtierenden Champions Trophy-Sieger Pakistan im 75. Aufeinandertreffen mit 7:0 (3:0) so deutlich wie nie zuvor. Da stehen fünf Hamburger in diesem Team und dennoch herrscht unter den fast 2.500 Zuschauern auf der Anlage des Großflottbeker THGC am Samstagnachmittag kaum mehr ausgelassene Stimmung als während eines Lichtbildvortrags in Oberursel.

Insbesondere die Leistungen der Lokalmatadoren boten dabei reichlich Anlaß zu spontaner Begeisterung. Michael Green brillierte vor heimischer Kulisse auch und gerade mit seinem ersten Länderspieltor, und seine Mannschaftskollegen Dirk Staudinger und Christian „Büdi“ Blunck vom Harvestehuder THC wußten ebenfalls nicht nur mit je einem Treffer zu überzeugen. Doch anstatt das Trio Infernale und die gesamte Mannschaft lautstark zu feiern, reichte es wieder einmal nur zu einem dezent-freundlichen Applaus – ganz im Gegensatz zu einer Handvoll pakistanischer Fans, die selbst noch nach dem fünften Gegentreffer ihre demoralisierten Spieler anfeuerten.

Bundestrainer Paul Lissek lobte zwar „die tolle Atmosphäre“ bei diesem „historischen“ Sieg – dem zweiten während der Best-of-five-Tour gegen Pakistan (gestern folgte eine 1:3-Niederlage Celle, morgen endet die Länderspielserie in Neuss) – aber sein Statement kann getrost als reine Höflichkeitsfloskel verbucht werden. Bis auf wenige Momente verhielt sich das Gros der Zuschauer so, als wähnte es sich bei einer 70minütigen Freiluft-Andacht. Ein paar Ooohs hier, einige Aaahs dort, aber nach getaner Selbstentäußerung husch husch ins Standesdünkel-Körbchen zurück. Wir sind doch nicht auf dem Fußballplatz, mögen sich manche gedacht haben, und eben dies ist die Crux. Bei einem Hockeyspiel interessieren sich die Zuschauer in erster Linie für sich selber und nicht für den (hierzulande leider nicht Volks)-Sport. Da stört es auch nicht wirklich, daß der eigens errichtete Fernsehkamera-Hochstand des NDR der halben Sitztribüne die Sicht versperrte.

Nichts gegen eine gelungene Selbstinszenierung des Publikums, die basisdemokratische Variante a la Millerntor ist jedoch allemal akzeptabler (und unterhaltsamer): Lieber pinkelnde Kuttenträger als feine Pinkel in grünen Wachstuchjacken.

Clemens Gerlach