■ Kommentar
: Bald Schwarz-Grün?

„Hamburg gehört nicht uns. Wir können nicht sicher sein, daß es uns auf Dauer hier in der gewohnten Stärke gibt.“ Selbst die derart dezent vorbrachte Warnung des Bundestagsoldies und Vorzeige-Intellektuellen Freimut Duve vermochte die Hamburger SPD am Wochenende nicht aus ihrer selbstverordneten Lethargie zu reißen.

Wahlschlappe? Im Oktober wird's schon besser! Ein Bürgermeister ohne parteiinterne Mehrheit? Wir haben keinen anderen! Ein Regierungskurs in der Sackgasse? Abwarten und mauscheln! Die Wagenburg um den eigenen Bauchnabel ist fest geschlossen, der Kontakt zur StimmbürgerIn, ja selbst zum einfachen Parteimitglied längst abgerissen.

Freilich, die SPD hat's nicht leicht: Der Kurs von Voscherau, den roten Tanker mit rechter Politik, Law-and-order-Parolen und spürbarer Sparpolitik auf Erfolgskurs zu bringen, ist schon heute gescheitert. Andererseits: Ein Wechsel Richtung Rot-Grün würde Teile der SPD-Klientel verschrecken, am Ende wohl nur den Grünen nutzen. Eine rot-grüne Reformpolitik, die auch dem Machterhalt der Sozis nutzt, müßte den Spagath zwischen schnellen Erfolgen und Respekt vor der Veränderungsangst vieler BürgerInnen bewältigen. Sollte dies gelingen, müßte eine rot-grüne Regierungspolitik schon verdammt gut gemacht sein – und dies ist angesichts des Zustands der SPD-Führungskräfte jenseits des Vorstellbaren.

Düster verhangen auch die Zukunft: Schwarz-Grün, in Hamburg dank CDU-Fraktionschef Ole von Beust kein Tabu mehr, bietet –leider – derzeit keine Perspektive. Hamburgs CDU ist in einem trostlosen Zustand, hat die Lähmung der Echternach-Ära und der Verfilzung mit Teilen der rechten SPD noch längst nicht überwunden und würde – zu Recht – von der grünen Basis als Koalitionspartner nicht akzeptiert. Also doch eines Tages, 16.10.94 plus X, Rot-Grün? Ohne ein radikales Großreinemachen innerhalb der Hamburger SPD macht das keinen Sinn. Der dazu erforderliche Leidensdruck ist zwar objektiv längst vorhanden, wird aber, das bewies erneut das Wochenende, von den Sozialdemokraten subjektiv immer noch nicht gespürt.

Florian Marten