SPD-Parteitag: Endlich „Frieden in der Hütte“?

■ Kleine Parteireform beschlossen / Wundenlecken nach Wahldesaster und Flügelstreit

Kollektive Trauer über die Eurowahlschlappe, ein Waffenstillstand zwischen rechtem und linkem Flügel und schließlich die Verabschiedung einer Parteireform, welche die Rechte der einfachen Mitglieder stärkt – der SPD-Parteitag am Wochenende in Wilhelmsburg konnte sich über Arbeit nicht beklagen. In dünner Besetzung – 20 Prozent der Delegierten fehlten – ackerte man sich bienenfleißg durch einen Wust von Reformanträgen. Dabei wurde die betuliche Vorlage des Landesvorstands noch etwas aufgepeppt.

Die wichtigste Änderungen:

-Die Parteibasis darf ihren Bürgermeisterkandidaten küren.

-Senatoren müssen ihre Einkünfte offenlegen.

-Frauen dürfen ans Rednerpult, auch wenn sie sich nicht rechtzeitig gemeldet haben – es gilt nach grünem Vorbild das „Reißverschlußprinzip“.

-Die Sitzungen von Kreis- und Distriktsvorständen sind künftig öffentlich. Ein Antrag, dies auch dem Landesvorstand anzutun, fand keine Mehrheit.

-Auf Verlangen von fünf Prozent der Mitglieder der jeweiligen SPD-Gliederung kann ein „Mitgliederentscheid“ durchgeführt werden.

Dazu wurden eine zeitliche Obergrenze für Parteiämter (acht Jahre) sowie Antrags- und Mitspracherechte für Projektegruppen eingeführt.

Zuvor hatten die Parteirechten Volker Lange (Bezirkschef von Mitte), Günther Elste (Fraktionschef und Bezirkschef von Wandsbek) sowie Petra Adam-Ferger und Petra Brinkmann mit mehrwöchiger Verspätung ihre Wahl in den Landesvorstand angenommen und damit einen vorläufigen Schlußstrich unter den Streit zwischen rechtem und linkem Flügel gezogen. Um den Rechten eine Rückkehr mit nicht allzuviel Gesichtsverlust zu ermöglichen, verabschiedete der Parteitag mit überwältigender Mehrheit eine Resolution, die die aktuelle Beschlußlage der SPD noch einmal bestätigt: „Die Hamburger SPD unterstützt die Politik des Ersten Bürgermeisters, des Kooperationssenats und der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Eine Koalitionsalternative Rot-Grün stellt sich deshalb in ihrer Legislaturperiode nicht.“

Bis wenige Stunden vor Parteitagsbeginn war um diesen Kompromiß gerungen worden. Nicht zuletzt die vernichtende Wahlschlappe bei der Europawahl brachte die linke SPD-Mehrheit und „die kindischen Paranoiker der Parteirechten“, so ein Vorstandsmitglied zur taz, wenigstens äußerlich wieder zusammen. Die Einigung geht auf die Konten von Günter Elste, der die Kriegserklärung seiner rechten Freunde nur mit innerem Widerwillen mitgetragen hatte, und Parteichef Jörg Kuhbier, der sich jetzt als Krisenmanager fühlen darf: „Jetzt ist wieder Friede in der Hütte. Meine Aufgabe ist es, integrierend zu wirken.“

Was manchem Außenstehenden als Sieg der Parteirechten erscheinen kann, wird SPD-intern ganz anders buchstabiert. Die SPD-Linke fühlt sich nach der „Kamikaze-Aktion“ als Sieger. In Partei und Landesvorstand verfügt sie über klare Mehrheiten und bildet damit erstmals ein klares Gegengewicht zu Fraktion (nur leichte Mehrheit für Mitte-Links) und Senat (mehrheitlich rechts). Auch die Option auf Rot-Grün noch in dieser Legislaturperiode gilt ihr noch längst nicht verloren: „Ein Auseinanderbrechen der Statt-Partei würde sofort eine neue Situation ergeben.“

Ratlosigkeit prägte die Generaldebatte über das Euro-Wahldesaster, welches viele RednerInnen dem falschen Wahlkampfkonzept (zu rechts, zu wenig europäisch, frauenfeindliche 218-Entscheidung) anlasteten. Die eher lau vorgetragene Parole „Jetzt erst recht!“ sollte Mut für die Bundestagswahl machen. Intern kalkulieren führende Hamburger Sozis jedoch allenfalls mit einer unübersichtlichen Patt-Situation in Bonn nach dem 16. Oktober. Florian Marten