Jeden Monat zwei neue Todesdrohungen

■ Die Türkische Gemeinde erhält immer mehr Drohbriefe / Anti-Antifa als Drahtzieher vermutet / Staatsschutz ermittelt

Der vorletzte Satz läßt selbst den sonst eher gelassenen Präsidenten frösteln: „Haut ab, notfalls bringen wir Euch in der Waagerechten hinaus.“ Ein paar Zeilen darüber warnen die Urheber, die sich als „Deutsches Volksbündnis gegen Überfremdung“ ausgeben, Mustafa Turgut Cakmakoglu mit den Worten: „Und Du, Mustafa, wirst einer der ersten sein, der seine anatolische Höhle wieder mit Eseln und Hammeln bewohnt.“ Dorthin mitnehmen solle der Präsident der Türkischen Gemeinde, empfehlen die braunen Verfasser, „Türken-Bärbel“, Berlins Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU).

Solcherart Post aus dem rechten Lager landet immer häufiger in den Briefkästen türkischer Privatpersonen und auf den Schreibtischen der Gemeinde. Mindestens zwei Droh- und Schmähschriften werden Cakmakoglu monatlich zugestellt, nicht mitgezählt sind die vielen Briefe, die der 42jährige als „harmlos“ einstuft: wie etwa die Postkarte mit dem vor Einheitstaumel übersprühenden Mauerfall-Motiv, auf deren Rückseite das „Türkenpack“ aufgefordert wird, die Bundesrepublik zu verlassen.

Für Cakmakoglu, der auch Ausländerbeauftragter von Tiergarten ist, sind Drohbriefe nichts Neues. Immer habe es solche Post gegeben, sagt er. Häufig lägen diesen Schreiben aus Boulevardblättern herausgerissene Hetzartikel bei: Reißerisch aufgemachte Berichte über türkische Drogendealer, Schwerkriminelle oder Sozialbetrüger. Auch ins Schußfeld geraten ist Barbara John: In regelmäßigen Abständen, sagt die Ausländerbeauftragte, erhalte sie „ihre Morddrohungen“. Die Briefe, die ihr Ausländer ab und an vorlegten, seien meist hektographierte Hetzschriften. Besonders üble Nazipost kommt in der Türkischen Gemeinde immer dann an, wenn sich Cakmakoglu öffentlich für die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft einsetzt. „Wenn Du Dich noch einmal zu Wort meldest, dann besuchen wir Dich“, versuchten ihn jüngst Rechtsextremisten mundtot zu machen. Und gar ein anderer rechter Schreibtischtäter formulierte: „Wählen wollt Ihr? Aber gerne – zwischen Arsen und Zyklon B.“

Mehrere Male schon erstattete der Gemeindevorsitzende Anzeige wegen Volksverhetzung, Beleidigung oder Nötigung. Doch den braunen Verfassern ist offenbar nicht beizukommen. Der eingeschaltete Polizeiliche Staatsschutz tappt im Dunkeln. Regelmäßig wird Cakmakoglu einen Monat nach Erstattung der Anzeige die Einstellung des Verfahrens mitgeteilt.

Die Briefeschreiber verstecken sich mittlerweile hinter Namen und Adressen von Berlinern, die für die Interessen der Ausländer eintreten. So mißbrauchten sie einen Politologieprofessor der FU und einige Anwälte, die oft Ausländer und Asylbewerber vertreten, als Absender. Die allerneueste Masche: Rechte verschicken bundesweit Hetzschriften gegen Deutschland – mit Cakmakoglus Adresse auf dem Briefkopf.

In der letzten Zeit seien nämlich „intelligentere Rechte“ am Werk, die „einen psychologischen Krieg gegen uns führen“, sagt Cakmakoglu. Auffällig sei jedenfalls, daß die Zuschriften nicht mehr wie früher mit Rechtschreibefehlern und grammatikalischen Schwächen gespickt sind. Womöglich stecke die Anti-Antifa hinter den Drohungen. Vermutlich ist sie der Drahtzieher des Einbruchs in das Gemeindebüro in Kreuzberg vom vergangenen Dezember. Die Diebe stahlen einen Computer, auf dessen Festplatte die Daten und Adressen aller rund 20.000 Mitglieder gespeichert waren. Bargeld und andere elektronische Geräte rührten die Täter nicht an. Frank Kempe