Streit um Abtreibungspille RU-486

■ Französische Pharmafirma verzichtet auf US-Patent

Das mehrheitlich von der Hoechst AG kontrollierte französische Pharmaunternehmen Roussel Uclaf hat in den USA auf das Patent für die Abtreibungspille RU-486 verzichtet und die Verwertungsrechte dem New Yorker Population Council (Bevölkerungsrat) übertragen. Der Population Council, der sich vor allem der Bevölkerungsentwicklung in der Dritten Welt widmet und zahlreiche Familienplanungsprogramme koordiniert, will jetzt die Abtreibungspille klinisch testen und eine Genehmigung für den US-Markt bei der Food and Drug Administration (FDA) beantragen.

Das französische Pharmaunternehmen, in dessen Labor RU-486 entwickelt wurde, hatte sich in der Vergangenheit geweigert, die Pille in den USA auf den Markt zu bringen, weil es nicht in den Streit über die Abtreibungsfrage hineingezogen werden wollte. Roussel Uclaf setzte darauf, daß sie mit dem Verzicht auf die Pille den Angriffen der radikalen Abtreibungsgegner und Lebensschützer entgehen könnte. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht: Mehrere Gruppen amerikanischer Abtreibungsgegner haben letzte Woche einen Boykott gegen Roussel Uclaf angekündigt. Die Abtreibungsgegner, zu denen vor allem religiöse und konservative Gruppierungen gehören, wollen neben Roussel Uclaf auch die Hoechst AG und die Pharmatochter Celanese Corp. in ihre Aktionen einbeziehen.

Bisher ist die Abtreibungspille RU-486 erst in drei Ländern (Frankreich, Großbritannien und Schweden) zugelassen worden. In der Bundesrepublik war in den vergangenen Jahren Hoechst immer wieder bedrängt worden, einen Zulassungsantrag zu stellen. Für die Vorsitzende des Bundestags-Sonderausschusses zur Reform des Paragraphen 218, Inge Wettig-Danielmeier (SPD), handelt Hoechst „aus reiner Willkür“, der Konzern habe „Angst vor Boykottmaßnahmen der Lebensschützer“. Mit der Nichtzulassung von RU-486 werde keine einzige Abtreibung verhindert. Einem Bericht der Schweizer Wochenzeitung zufolge hat Hoechst in Frankfurt bereits Ende April die Entscheidung gefällt, die Abtreibungspille endgültig fallenzulassen. Als Begründung wurde angegeben, mit pillengemachten Abtreibungen ließe sich derzeit kein Geld verdienen. Wolfgang Löhr