Rote Karte für Heckelmann

Die Berliner SPD entscheidet heute, ob Innensenator Heckelmann (CDU) wegen eigener Versäumnisse bei der Affäre um die Rechtskontakte seines Pressesprechers seinen Posten räumen muß  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) – Für den Politologen Hartmut Jäckel ist der Berliner Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) „ein Schulbeispiel für Verlust an Rechtsbewußtsein, wo es um Machterwerb oder Machterhalt geht“. Diesen Verlust beklagte Jäckel angesichts einer Intrige, mit der 1983 der damalige konservative Vizepräsident der Freien Universität Berlin (FU), Heckelmann, den damaligen liberalen Präsidenten Eberhard Lämmert um seinen Posten brachte, um diesen selbst einzunehmen. Seitdem schaffte es Heckelmann, seine Macht zu mehren, bis 1991 als Präsident der FU, danach als Innensenator. Obgleich sich bereits zwei Untersuchungsausschüsse des Berliner Abgeordnetenhauses mit seiner Amtsführung befassen, er sich zwei Mißtrauensanträgen stellen mußte, hielt er bislang unerschütterlich seine Stellung.

Die wird er nun vielleicht räumen müssen, denn mit der jüngsten Affäre um seinen Pressesprecher Christoph Bonfert wurde auch in den Augen der mitregierenden SPD das Faß der Heckelmannschen Fehlleistungen zum Überlaufen gebracht. Die Gremien der Partei werden heute darüber befinden, ob dem Innensenator der Rücktritt naheglegt wird. Es gilt als sicher, daß die Bündnisgrünen am kommenden Donnerstag im Abgeordnetenhaus einen Mißtrauensantrag stellen werden. Denn der Innensenator, so der innenpolitische Sprecher der Partei, Wolfgang Wieland, „hat ignorant versagt“, als ihm im März dieses Jahres sein Pressesprecher seine Teilnahme an einem sogenannten „Dienstagsgespräch“ beichtete.

Diese monatlichen Plauderrunde wird von der Polizei als „deutsch-national-patriotisch- rechtsdenkend; rechts der CDU“ klassifiziert. Als Referenten traten bereits der FPÖ-Vorsitzende Jörg Haider, Manfred Brunner und der Ullstein-Verleger Herbert Fleissner auf, dessen früherer Protegé Rainer Zitelmann ebenso zu den Gästen zählte wie der Vorsitzende der Nationalen Liberalen in der FDP, Marcus Roscher, Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, Mitglieder der CDU, Journalisten, „Republikaner“ und Mitarbeiter des Rechtsblattes Junge Freiheit. Nach Erkenntnissen der Polizei „eine Auswahl von Kapital und Intelligenz der rechten Szene bzw. rechtskonservativer Parteien“.

Organisiert wird der „Kreis für Führungskräfte aus Wirtschaft und Publizistik“ von Hans-Ulrich Pieper. Piepers politische Vita begann Ende der sechziger Jahre bei der NPD, zwanzig Jahre später kandidierte er für die „Republikaner“ in München. Daß Bonfert vertraulichen Umgang mit Pieper pflegte, war der Polizei Anlaß, den Verfassungsschutz zu unterrichten. Dieser mochte zunächst bei Pieper „keine eigenen erkennbaren verfassungsfeindlichen Aktivitäten“ ausmachen. Mittlerweile ist allerdings auch Amtschef Heinz Annußek davon überzeugt, daß man sich „dem Herrn Pieper wohl weiter widmen wird“.

Als Bonfert Heckelmann im März den Pieper-Kontakt beichtete, beließ es dieser bei einer Ermahnung. Daß der Innensenator seinerzeit kein weiteres Aufklärungsbedürfnis hatte, daß er noch nicht einmal die Polizeibeamten, die die Berichte angefertigt hatten, anhörte, ist für Wieland Beleg dafür, daß ihm nach zwei gelben Karten – zwei überstandenen Mitrauensvoten – nun die rote Karte gebühre.

Auch SPD-Chef Staffelt findet, „der Innensenator wäre verpflichtet gewesen, der Sache nachzugehen“, er bringe sich selbst „um Kopf und Kragen“. Grund, den Kopf zu fordern, hat die SPD genug, intern ist sie bereits zu dem Resümee gekommen, „Personalpolitik ist das einzige, was Senator Heckelmann interessiert“. Nun hofft sie, daß der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), den die Amtsführung seines Parteifreundes gleichfalls nicht zufriedenstellt, ein Machtwort spricht. Denn beide Parteien wurden bei den Europawahlen auf unter dreißig Prozent gedrückt. An einem Koalitionsbruch und vorzeitigen Neuwahlen sind weder CDU noch SPD interessiert.