Die SPD braucht keine Koalitionsaussage

■ Detlev von Larcher, Sprecher des linken Frankfurter Kreises, zur Strategiedebatte

taz: Herr von Larcher, soll die SPD mit einer rot-grünen Koalitionsaussage Wahlkampf machen?

Detlev von Larcher: Ich halte eine formale Koalitionsaussage vor den Bundestagswahlen für nicht sinnvoll. Jede Partei sollte darum kämpfen, so viele Stimmen wie möglich zu bekommen. Über Koalitionen kann man dann reden, wenn die Chance besteht, eine Regierung zu bilden.

Das ist die bislang gültige Strategie. Derzeit ist die SPD damit nicht sehr erfolgreich.

Ich denke nicht, daß das Europawahlergebnis auf diesen speziellen Punkt zurückzuführen ist. Wenn die SPD die guten Ansätze ihres Programmentwurfs deutlich macht, wenn sie zeigt, daß sie die Frage der Arbeitsplätze mit ökologischem Umbau und sozialer Gerechtigkeit verbindet, wenn wir klar machen, daß die Bundesregierung abgelöst werden muß, weil sie Ungerechtigkeit fördert, den ökologischen Umbau verhindert und ihr die Arbeitslosen egal sind, werden wir auch ohne Koalitionsaussage auskommen.

Also keine Konsequenz aus dem schlechten Europawahlergebnis?

Meine Konsequenz ist: Wir brauchen ein klar konturiertes Profil, mit dem wir deutlich machen, daß es im Herbst um eine Richtungsentscheidung geht.

Bislang hat die SPD-Kampagne gerade nicht deutlich gemacht, worin der Wechsel bestehen soll. Statt dessen hat Scharping immer wieder durchblicken lassen, daß er am liebsten doch mit den Liberalen regieren würde.

Ich kann mir eine Koalition mit der FDP nur schwer vorstellen; dennoch hielte ich es für falsch, eine demokratische Partei als Koalitionspartner von vornherein auszuschließen.

Also möglicherweise doch eine sozial-liberale Koalition?

Wenn ich nach der Wahl zu dem Schluß kommen soll, mit der FDP sei unser Programm besser durchzusetzen als mit jeder anderen Partei, müßten sich die Liberalen ziemlich verändert haben. Dann müßten sie ihrer jetzigen Politik total abschwören.

Die SPD scheint derzeit dreigeteilt: Gegner von Rot-Grün, offene und heimliche Befürworter; zu letzteren darf ich Sie zählen. Kein sehr geschlossenes Bild.

Ich denke nach dem Parteitag wird das Bild geschlossen sein.

Lauter heimliche Rot-Grün- Befürworter?

Ich finde das nicht richtig, mich als „heimlichen Rot-Grün-Befürworter“ zu bezeichnen. Ich befürworte die Schaffung von Arbeitsplätzen, den ökologischen Umbau und die Wiederherstellung sozialer Gerechtigkeit. Wenn das mit den Grünen geht, was ich glaube, dann entscheidet sich das trotzdem erst nach den Wahlen. Bei der Frage einer Koalitionsaussage im Wahlkampf geht es um den Wettbewerb der Parteien, um die WählerInnen. Meiner Meinung nach ist es falsch, einen Koalitionswahlkampf zu führen.

Keine Koalitionsaussage, ist das der Tribut an „die Mitte-WählerInnen“, um die sich Rudolf Scharping bemüht?

Wir müssen erkennen, daß „die Mitte“, in der die SPD Stimmen gewinnen muß, nicht mehr die der sechziger Jahre ist. „Die Mitte“ hat sich gründlich verändert. Insofern muß sich auch unsere Wahlkampfstrategie verändern.

Erreicht man „die Mitte“ mit einem Reformwahlkampf?

Ja, „die Mitte“ ist nicht nur konservativ oder rechtskonservativ. Die gesellschaftlichen Milieus haben sich verändert. Natürlich haben wir dort Leute, die Reformpolitik, ökologischen Wandel und eine solidarische Gesellschaft wollen. Die müssen wir zu erreichen suchen.

Scharping hat sich klar gegen eine Koalitionsaussage ausgesprochen. Wird es auf dem bevorstehenden Parteitag eine Rot- Grün-Debatte geben? Wäre das ein Affront gegen Scharping?

Ein Affront gegen Scharping wäre es wohl, wenn sich die Mehrheit auf eine rot-grüne Koalition festlegen würde. Daß man aber nach dem Beschluß von Hessen- Süd darüber diskutieren wird, halte ich für wahrscheinlich. Das ist doch klar in einer demokratischen Partei. Interview: eis