■ „Woodstock '94 – Two More Days of Peace and Music“
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New York (taz) – Eines steht jetzt schon fest: Woodstock wird im August '94 nicht mehr dasselbe sein wie zuvor. 25 Jahre, nachdem sich auf dem Gelände einer Milchfarm in Upstate New York eine halbe Million bekiffter Hippies drei Tage lang im Schlamm wälzten und zur Musik von Janis Joplin, Jimi Hendrix und Richie Havens „freedom“ grölten, haben sich gewiefte Marketingmanager daran gemacht, den Geist des legendärsten Rockkonzerts der sechziger Jahre zu reanimieren und damit nochmal ein paar Dollars zu verdienen.

„Woodstock '94 – Two More Days of Peace and Music“, das Konzert am 13. und 14. August ca. 100 Meilen nördlich von New York City, wird in den Vereinigten Staaten schon seit Monaten als das Musikereignis der Saison gehandelt – und als eines der fragwürdigsten dazu. Die Veranstalter – Woodstock Ventures und die Polygram, ein US-Multikonzern aus der Unterhaltungsindustrie – beeilen sich denn auch zu betonen, daß es bei dem Jubiläumskonzert nicht um eine schlichte Wiederbelebung des alten Woodstock-Feelings geht, sondern um ein Multimediaereignis der neunziger Jahre.

Tatsächlich unterscheidet sich das Revivalkonzert in wesentlichen Punkten von seinem legendären Vorbild. Das fängt schon beim Ort des Geschehens an: Da die Behörden das Gelände der legendären Yasgur's Farm kein zweites Mal für ein Mammutfestival zur Verfügung stellen wollten, waren die Veranstalter gezwungen, auf ein 50 Meilen entferntes Farmgelände bei Saugerties auszuweichen. Das Städtchen Woodstock hingegen hat mit beiden Konzerten so gut wie nichts zu tun. Sein Name markiert lediglich die nächstgelegene Autobahnabfahrt.

Unterschiede gibt es natürlich auch beim Programm. Neben Rockveteranen wie Crosby, Stills and Nash, Bob Dylan, Joe Cocker oder den Allman Brothers werden eine Reihe von Bands auftreten, die Woodstock allenfalls vom Hörensagen kennen: Rockbands wie Alice in Chains, Nine Inch Nails oder Porno for Pyros, Rap-Formationen wie Cypress Hill oder Arrested Development, Siebziger-Jahre-Hardrocker wie Aerosmith, 80er Metalheads wie Metallica und Reggae-Barden wie die Jimmy Cliffs All Star Reggae Jam (featuring Rita Marley and Shabba Ranks) sind diesmal mit von der Partie.

Daneben spielen die handelsüblichen Allzweckwaffen Peter Gabriel, die Red Hot Chili Peppers, Johnny Cash, Santana, Spin Doctors und die Neville Brothers auf. Außerdem sorgen Ausstellungen und Stände diverser Aids-, Umweltschutz- und Bürgerrechtsgruppen für den politisch korrekten Hintergrund. Und falls sich die Cyberkids dennoch langweilen, können sie zwischendurch noch den interaktiven Video-Themen-Park besuchen.

Mit dem Angebot wollen die Organisatoren vor allem die Generation der 17- bis 25jährigen anlocken. Denn die Teenager sehnen sich laut Marktuntersuchungen der Veranstalter nach einem ähnlichen kollektiven Erlebnis, wie es seinerzeit ihre Eltern beim ersten Woodstock-Konzert hatten. Vorausgesetzt, die Kids haben rund 200 Dollar für Karten und Reisekosten übrig. Denn eine Karte für das zweitägige Woodstock-Spektakel kostet 135 Dollar. Das sind 135 Dollar mehr, als die meisten Woodstock-Hippies anno 1969 zahlten. Damals kostete eine Dreitageskarte 18 Dollar. Aber da die Veranstalter dem Ansturm der fast 600.000 Besucher nicht gewachsen waren, fanden die meisten gratis Einlaß.

Damit das nicht noch einmal passiert, wurde das neue Woodstock-Konzert so generalstabsmäßig geplant wie die „Operation Desert Storm“. Vom Bedarf an Parkplätzen bis zur Anzahl der Toilettenhäuschen wurde alles genauestens berechnet. Sogar die durchschnittliche Mückenpopulation auf dem Farmgelände wurde untersucht, um zu klären, ob der Einsatz von Insektenabwehrspray notwendig ist.

Zum Geleit der rund 250.000 erwarteten Besucher werden 1.300 Ordner bereitstehen. Es wird 3.000 mobile Toiletten, zwei Feldlazarette, 15 Erste-Hilfe-Stationen, 120 Ärzte, 240 Krankenschwestern und 30 Notfallteams geben. Und für das leibliche Wohl sorgen Hot- dog- und Hamburger-Verkaufsstände. Alkohol und alle anderen Drogen sind hingegen, anders als beim Woodstock-Original, strengstens untersagt.

Die Promoter rechnen mit Gesamtkosten von rund 30 Millionen Dollar – 1969 waren es gerade mal drei Millionen Dollar –, die durch den Verkauf von Tickets und lizensierten Woodstock-T-Shirts gedeckt werden sollen. Und selbst für die, denen der Besuch eines zweitägigen Open-air-Konzerts bei schwüler Augusthitze zu anstrengend erscheint, ist gesorgt. Das gesamte Konzert wird zum Preis von 50 Dollar als Pay-per-view-Show live im Fernsehen angeboten.

Einen wird man jedoch weder beim Mammutfestival in Saugerties noch zu Hause vor der Glotze antreffen: Richie Havens, 53, der so etwas wie die Woodstock- Hymne erfand, wird sich an diesem Augustwochenende mit seiner Gitarre zum Originalschauplatz auf die Yasgur's Farm begeben, um dort mit Ray Charles und einigen anderen Musikern ein unspektakuläres 25. Woodstock-Jubiläum zu feiern. Freedom, freeedom, freeeedom. Ute Thon