Ein "Autonomist" auf dem Abstellgleis

■ Acht Monate nach der Abspaltung von Sarajevo bläst Fikret Abdic ein scharfer Wind ins Gesicht

Split (taz) – Fikret Abdić, der Geschäftsmann und selbsternannte „Präsident“ der „Autonomen Region Westbosnien“, scheint schlechten Zeiten entgegenzusehen.

Vor acht Monaten noch war der Chef des Landwirtschaftskonzerns „Agrokomerc“ als Alternative zum bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović gehandelt worden. Jetzt scheint der Muslim von seinen bisherigen Verbündeten, der kroatischen Regierung und der Führung der „Serbischen Republik Krajina“, fallengelassen zu werden.

Aufsehen erregte Abdić im letzten Herbst, als er sich von der bosnischen Regierung lossagte und Alija Izetbegović der „Kriegstreiberei“ bezichtete. Bedacht mit dem Wohlwollen von EU-Unterhändler David Owen und zudem von den französischen Kommandanten der UNO-Truppen in der Region ermuntert, wagte der ehemals populäre Abdić, den bosnischen Präsidenten herauszufordern. „Wäre ich Präsident“, so Abdić damals in einem Interview mit unserer Zeitung, „würde ich in kürzester Zeit einen Waffenstillstand und eine Friedensregelung herbeiführen.“ Präsident wurde der Manager nicht, jedoch gelang es ihm durch Verhandlungen mit der Führung kroatischen und bosnischen Serben, die Zufahrtswege in das von ihm kontrollierte Gebiet an der bosnisch-kroatischen Grenze zu öffnen. Auch die Zagreber Regierung unterstützte ihn offen: In der Adriastadt Rijeka wurde den Autonomisten ein Freihafen eingeräumt. Seit Ende November 1993 rollten Lastzüge voller Industriewaren.

Aber auch Kleidung und Lebensmittel wurden nach Velika Kladuša gebracht. Im Winter war das von Abdić kontrollierte Gebiet die einzige muslimisch dominierte Region, wo die Bevölkerung, etwa 35.000 Menschen, genug zu essen hatte. Der Preis dafür freilich war hoch: Die neuen Verbündeten erwarteten, daß sich Abdićs Truppen am Kampf gegen die Regierungsarmee, die sich im nahen Bihać eingegraben hatte, beteiligen sollten. Seit September hatte es bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten bosnischen Truppen gegeben, ab Dezember begann dort eine neue heiße Phase des Krieges.

Im Einklang mit vom Süden her geführten serbischen Angriffen auf Bihać, versuchte Abdić, vom Norden her die regierungstreue Stadt Cazin in die Hand zu bekommen – ohne Erfolg.

Dafür regte sich seit dem Beginn des offenen Krieges gegen die Regierungstruppen Widerstand in dem von Abdić kontrollierten Gebiet. Denn mit dem Angriff auf Cazin und Bihać verspielte der ehemalige Volksheld viel Ansehen selbst bei den Menschen, die ihn trotz seiner Korruptionsskandale als „Agrokomerc“-Chef in den achtziger Jahren unterstützt hatten.

Rund achthundert Menschen, so schätzen Quellen der Vereinten Nationen im Einklang mit Angaben aus Bihać, wurden verhaftet, Kritiker sogar gefoltert, muslimische Geistliche, die den politischen Kurs des „Führers“ mißbilligten, malträtiert. Ganz Geschäftsmann, organisierte Abdić die Ausreise von vielen der zehntausend Menschen, die aus der Enklave entkommen wollten – für einen Kopfpreis von 2.000 Mark.

Die Lücken, die der Exodus in Abdićs Armee riß, wurde mit serbischen und anderen Söldnern aufgefüllt. Bis zu 4.500 Mark sollen diese für ihre zweiwöchigen Einsätze verlangen, ein erkleckliches Sümmchen in einem Gebiet, wo die Löhne gegen Null tendieren. Doch dieses Geld besitzt der „Präsident“. Denn der Handel via Kroatien und serbisch besetztes Gebiet diente nicht nur der Versorgung der Bevölkerung, sondern vor allem dem Bruch des Embargos gegen Serbien. Waren, die dort dringend benötigt werden, wurden durch Abdićs Gebiet geschleust und dann teuer losgeschlagen. Ein einträgliches Geschäft, an dem auch manche kroatische und serbische Bürokraten partizipierten.

Doch jetzt ist dieser Handel unterbrochen. Seit 31. Mai blockiert die Führung in der Krajina die Zufahrtswege, wenngleich sie Fikret Abdić weiter militärisch unterstützt.

In Kroatien sind Abdićs Aktien noch dramatischer gefallen. Denn seit der Gründung der kroatisch- bosnischen Föderation im März dieses Jahres ist die Regierung in Zagreb an einer Spaltung der bosnischen Muslime nicht mehr interessiert. Zudem hat Serbien derweil andere Wege gefunden, das Embargo zu umgehen. Und auch in der französischen Hauptstadt sind Abdićs Spiele nicht mehr sehr „en vogue“, seitdem die dortige Presse die Machenschaften des „Präsidenten“ aufs Korn genommen hat. Erich Rathfelder