Legaler Grabraub

■ Künstlerisch wertvoll oder schlicht ausgedient: Was tun mit Grabsteinen nach Ende der „Nutzungsdauer“?

"Es läßt sich nicht leugnen, daß im Laufe der Jahrzehnte 'ne ganze Menge wertvolles Kulturgut verschwunden ist.“ Wolfgang Pages, Geschäftsführer des Hamburger Landesbetriebs Friedhöfe, spricht vom ganz legalen „Grabraub“: Schließlich haben Hinterbliebene nach Ablauf der regulären Nutzungszeit das Recht, den steinernen Schmuck der letzten Ruhestätte an sich zu nehmen und, zum Beispiel, im eigenen Garten aufzustellen. Es sei denn, das Grabmal ist für denkmalgeschützt oder - schutzwürdig erklärt worden, dann bleibt es am Platz und gehört der Stadt.

Die muß dann auch die Sicherungs- und Instandhaltungskosten übernehmen, und hier beginnt das Problem der Friedhofsverwaltung. Denn der Verbleib von künstlerisch oder historisch wertvollem Grabschmuck ist für Pages zwar bedenkenswert; konkreter stellt sich für ihn jedoch die Frage: Was passiert mit den Steinen, für die sich niemand interessiert, die aber trotzdem verschwinden müssen? Zuständig für den abgelaufenen Grabstein - in der Regel nach 25 Jahren - wären die Angehörigen. „Wenn das Nutzungsrecht abgelaufen ist, veröffentlichen wir eine amtliche Bekanntmachung und hängen ein Täfelchen ,Bitte melden' an den Stein“, beschreibt Wolfgang Pages das offizielle Procedere. „Das sind die Vorschriften“, fügt er leise resignierend hinzu, „meistens kümmern sich die Hinterblieben nicht, und dann haben wir die Entsorgung an den Hacken.“

Kein ganz billiges Vermächtnis. Ungefähr 300.000 Mark werden jährlich allein auf dem Ohlsdorfer Friedhof - mit seinen 400 Hektar zugegebenermaßen ein riesiges Areal - für die Beseitigung der Steine ausgegeben. Die werden zertrümmert und unter anderem im Friedhofswegebau wieder verwendet. Die Verwendung von Grabsteinen, auf denen, wie zum Beispiel in der Uferbefestigung des Postsees im Kreis Plön, die Inschriften noch lesbar sind, kommt für die Hamburger Friedhofsverwaltung nicht in Frage.

Auch am Erhalt von künstlerisch oder historisch wertvollen Grabstätten scheiden sich die Geister - zur Zeit die von Kultur- und Umweltbehörde sowie Staatsarchiv. „Schließlich geht's um Geld“, sagt Pages, „es muß ja jemand dafür zahlen, daß der Stein stehen bleibt und das Grab nicht für eine Neubelegung zur Verfügung steht.“ Wenn nicht, wie beim Hamburger Bürgermeister Herbert Weichmann oder beim Schauspielhaus-Intendanten Gustav Gründgens, die Stadt das „Ehrengrab“ unterhält, gibt es noch die Möglichkeit zur Privatinitiative - mit einer Grabmalpatenschaft. Wer die erwirbt, hat neben den üblichen Pflichten das Recht, zusätzlich einen Stein oder eine Tafel anzubringen, eventuell sogar den eigenen Namen einmeißeln zu lassen. Ein entsprechender Katalog soll, kündigt Pages an, vielleicht schon in diesem Herbst vorliegen. bit/epd