Rottende Radberge

■ Über das zweirädrige Parkplatzchaos am Bahnhof und seine baldige Abschaffung

Bremen ist eine der fahrradfreundlichsten Städte dieser Republik – aber nur, solange man das Ding unterm Hintern klemmen hat. Die Kunst des Stapelns und Enthakens ist hingegen gefragt, will man sich nicht nur fort-, sondern auch irgendwo hinbewegen und zwar dann ohne zweirädrigen Anhang. Unabdingbar auch eine innige Vertrautheit mit dem Äußeren des Drahtesels: Wer beim schweifenden Blick über ein tausendfach verknotetes Knäuel hunderter geparkter Fahrräder sich nicht mal mehr daran erinnnern kann, ob das geliehene Rad ein schwarzgelbes Lenkerband oder einen weißen Drahtkorb mit grüngelben Gummibändern hat, ist sowieso verloren. Müssen wir das System erst Park & Walk nennen, bevor das Parkproblem der RadfahrerIn ernst genommen wird? Stadtplaner: Nicht alle können sich ihr Ultra-Super-Leight-Weight-Bike selbst beim Gang aufs Klo über die Schulter klemmen!

Der Gipfel ist dabei der Bahnhof. Nach dem verzweifelten Abgrasen eines jeden Laternenpfahles im Umkreis von 200 Metern – alle sind bereits doppelt belegt – bekommt das Zurücklassen des geliebten Zweirades in einem der sich überall auf dem Bahnhofsvorplatz rottenden Radberge für die eilige Bahnkundin eher einen Touch von Verschrotten. Ganz zu schweigen davon, daß der ICE einer garantiert vor der Nase weggefahren ist.

Und nicht erst seit Beginn der Bauarbeiten an der Nordseite des Bahnhofs, denen rund 200 Radparkplätze zum Opfer fielen, ist die Situation mehr als traurig. Obwohl Rainer Imholze, Sprecher der Baubehörde, milde verzweifelt konstatiert: „Sooo groß ist die Nachfrage ja leider nicht...“ Nicht viele PendlerInnen haben ihr Zweitrad am Bahnhof stehen, der zudem sehr gut an den ÖPNV angebunden ist. Zu gut?

Vernünftige Abhilfe naht, wenn man das Jahr 1998 als nah bezeichnen will. Um das große Potential des Umweltverbundes zu nutzen und für alle attraktiv zu machen, sollen im Rahmen der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und der Nordseite rund 1.000 Radparkplätze geschaffen werden – vorausgesetzt, das Thema Radverkehr wird weiterhin als wichtig erachtet. Der Investor, der die Bahnhofsrückseite derzeit umbuddelt und dort zwei neue Geschäfts- und Bürohäuser baut, hat sich jüngst damit einverstanden erklärt, zwischen diese beiden Neubauten ein dreigeschossiges Fahrradparkhaus setzen zu lassen. Parkgewinn: 300 bis 400 Plätze. Da die Bahnhofsrückseite von der Innenstadt her allerdings denkbar ungünstig zu erreichen ist, müssen auch an der Front Parkplätzegeschaffen werden.

Derzeit sind vier Varianten im Gespräch, um weitere 500 Radparkplätze zu installieren: 1. könnte der kleine Autoparkplatz direkt links neben dem Bahnhofsgebäude umgewandelt werden. 2. ist eine Nutzung des alten Posttunnels zwischen Lloydtunnnel und Empfangsgebäude, der derzeit nicht zugänglich ist, im Gespräch. Diese Lösung würde sich besonders für Fahrradboxen eignen. 3. ist angedacht, in dem Neubau auf dem Bahnhofsvorplatz eine Radparketage inklusive Reparatur- und Mietservice einzurichten. Und 4. könnte man den Bunker, der sich direkt unter dem Bahnhofsvorplatz befindet, in eine Tiefgarage verwandeln.

Egal welche Variante kommen wird: Bis zu ihrer Realisierung wird es mindestens noch dreieinhalb Jahre dauern. Als Übergangslösung sucht die Baubehörde derzeit einen Platz, um rund 40 alte Fahrradständer, die im Reservoir des Amtes für Straßen- und Brückenbau lagern, wieder aufzustellen – vermutlich Felgenkiller, aber immerhin. Möglichkeiten: ein Plätzchen auf der Bürgerweide oder unter der Hochstraße. skai