Da nannten wir den Tiger Rap eben Schwarzer Panther

■ Für ein musikalisch-beschwingtes Lebensgefühl ging Herbert Simon unter den Nationalsozialisten mit der Hamburger Swing-Jugend in den Widerstand / Ein Gespräch

Erst durfte er nicht mehr Fußball spielen, dann verwehrten ihm die Nationalsozialisten das Studium, 1942 wurde er als Mitglied der Hamburger Swing-Jugend ins KZ Sachsenhausen gebracht. Herbert Simon, Jahrgang 1922, der seit 1957 in Bremen lebt, erzählte der taz, wie die Swing-Musik ihm zum Ausdruck seines Widerstandes wurde.

Leicht und beschwingt kam der Swing in den Dreißigern nach Hamburg. Waren Sie damals auch so drauf?

Ja, ich war da so siebzehn Jahre alt und wollte nicht zur Hitlerjugend. Sport durfte ich dann ja nicht mehr betreiben. Es haben sich dann viele junge Leute zusammengetan, die auch diese Marschmusik militärischer Art aus HJ- oder SA-Kapellen ablehnten. Swing war leicht, witzig, in seinen Texten oft ironisch, und in manchen Dingen auch leicht erotisch. Das hat uns gefallen, das bedeutete Lebensfreude.

Die Swing-Jugend hat sich bewußt von der Hitlerjugend distanziert.

Ja, und zwar auch äußerlich. Ich hatte von einem Cousin, der in England lebte, ein tolles kariertes Sportjackett gekriegt. Das fiel schon mal auf. Das Markenzeichen der Opposition war immer der Regenschirm. Und dann mußte natürlich ein Hut dabeisein. Und schwarze Lederhandschuhe. So sind wir durch die Straßen gezogen. Wenn uns dann so sehr engagierte Hitlerjugendführer begegneten, haben die schon mal versucht, uns anzugreifen. Auch tätlich.

Den Nationalsozialisten war die Swing-Jugend von Anfang an ein Dorn im Auge.

Ja, der Swing wurde von staatlicher Seite immer mehr abgelehnt, ohne daß er explizit verboten wurde. Man stellte fest, daß gerade in Hamburg sich Gruppen bildeten, die mit dieser Musik ihre Oppostition zum Ausdruck brachten.

Die Hamburger Swing-Jugend ist dann richtig in den Widerstand gegangen.

Wir haben uns ja auch viel privat getroffen. Mit Schallplatten, wer welche hatte, der war dann happy drauf. Und aus diesen Gruppen heraus wuchs unser Widerstand. Wir hatten sogar Kontakt zur Weißen Rose zu den Geschwistern Scholl nach München. Hamburg war ja wie München Universitätsstadt, mit dem Schwerpunkt Medizin, und es sind viele Studenten aus dem süddeutschen Raum gekommen, die diese Verbindungen mitbrachten.

Haben Sie auch Flugblätter verteilt?

Nein, wenn Sie zurückdrehen bis 1941, zum Beginn des Widerstands, da war die Weiße Rose ja auch grade erst im Entstehen gewesen. Weil dort die Flugblattaktion stark verfolgt wurde, wuchs auch der Druck der Gestapo auf die Hamburger Swing-Jugend, weil man verhindern wollte, daß sich dort ein Widerstand entwickelt.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Man konnte sich ja kaum schützen. Die Gestapo hat in unseren Lokalen, im Alsterpavillon oder im Barmbeckers Cafe König etwa, große Razzien gemacht. Wir haben angefangen, die Swing-Stücke mit deutschen Titeln anzusagen. Der Tiger-Rap wurde dann eben als Schwarzer Panther angekündigt. Manchmal ist man dann in der Darbietung sogar ein bißchen in Richtung deutsche Tanzmusik gegangen. Wir haben natürlich auch viel Quatsch gemacht, sind über'n Jungfernstieg, einer im Pyjama, wo Big Apple draufstand. Wir waren jung, das waren eben so Jugendstreiche.

Die Nazis haben das ernst genommen.

Ja, das sind nun die Dinge, die auch zu meiner Verhaftung führten. 1942. Da kam ich dann ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel. Wir Jungs sagten nur Florida. Und ich kam dann ins KZ Sachsenhausen in Oranienburg. Da war ich dann eine Nummer unter vielen, während wir von der Swing-Jugend in Fuhlsbüttel alle zusammen waren. Warum ich nicht in eines der Jugend-KZ, nach Moringen oder Uckermark gekommen bin, weiß ich bis heute nicht. Ich habe Schlimmes erlebt und überlebt, das soll an dieser Stelle genügen. Nur vielleicht diese kleine Episode: Wir machten ja damals, auf Wunsch der SS, im Lager auch Musikkapellen. Und da war mal ein junger Franzose dabei, der hatte früher in Amerika in einer Swing-Band Klarinette gespielt. Das waren natürlich tolle Begegnungen. Wir haben dann, das ist natürlich schizophren, mit unserer kleinen Kapelle auch Jazz gespielt.

Der Swing ist immer noch Ihre Musik?

Ich hab auch heute noch meine Platten. Möchten Sie eine hören?

Mögen Sie auch die Musik, die die jungen Leute heute hören?

Es gibt Sachen, die mich ansprechen, aber sobald da eine gewisse Aggressivität drinsteckt, mag ich sie nicht. Ich kann das nicht ablehnen, jede Zeit hat ihre eigene Musik und braucht sie auch.

Gespräch: Silvia Plahl