Türkische Kurden im Hungerstreik

■ Flüchtlinge in Irakisch-Kurdistan fordern UN-Schutz

Sacho (taz) – „Wir protestieren gegen diejenigen, die uns zwingen, unser Land zu verlassen“, heißt es auf dem Transparent. Die darunter sitzenden fünf Männer sind seit einer Woche im Hungerstreik. In glühender Hitze warten sie vor dem „Military Coordination Center“ in Sacho. Das Gebäude ist der Sitz der Golfkriegsalliierten in der Grenzstadt zur Türkei. Die Männer sind Teil einer Delegation von KurdInnen aus der Türkei, die in die 1991 im Nordirak eingerichtete Schutzzone geflohen sind. In Sacho wollen sie über internationale Schutzmaßnahmen für die KurdInnen in der Türkei verhandeln.

Seit März ist die Zahl der Flüchtlinge aus der Türkei im Nordirak auf 5.700 Menschen gestiegen, mehr als die Hälfte davon sind Kinder. Mittlerweile sind sie in sieben Camps im Bezirk Sacho untergebracht. Mit 10.000 weiteren Flüchtlingen rechnet der Vertreter des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR). „Immer wieder ist unser Dorf bombardiert worden. Mehr als 40 Bewohner haben Soldaten ermordet“, sagt Misrin. Von ihren elf Kindern hat sie drei in dem Krieg zwischen dem türkischen Militär und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verloren. Seit Anfang des Jahres hat die türkische Armee den Krieg weiter intensiviert. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, daß etwa 70 Prozent aller kurdischen Dörfer in der Türkei zerstört sind.

„Wir sind hierher gekommen, um zu überleben“, sagt Hussein. Doch auch im Norden Iraks sind die Flüchtlinge nicht sicher. Türkische Kampfflugzeuge überfliegen die Camps und bombardieren das Gebiet auf der anderen Seite des Bergmassivs. Vor zwei Wochen mußte eine UN-Delegation, die eine Erhebung durchführen wollte, aufgrund der Tiefflüge unverrichteter Dinge abziehen.

Wie die KurdInnen des Irak wollen die Flüchtlinge internationale Schutzmaßnahmen. „Die UNO soll uns gegen den Terror des türkischen Staates schützen, damit mit uns nicht das gleiche passiert wie in Bosnien“, sagt Mohammed. „Wir fordern einen beiderseitigen Waffenstillstand, damit eine politische Lösung gefunden wird“, heißt es in einem Schreiben des „Flüchtlingskomitees“ an UN-Generalsekretär Butros Ghali und die KSZE. „Wir wollen wieder in unsere Dörfer zurück. Doch dazu brauchen wir Unterstützung.“ Dazu ist die Anerkennung als politische Flüchtlinge notwendig. Bislang wurden die Camps von UNHCR und anderen Hilfsorganisationen zwar mit Zelten, Lebensmitteln und medizinischer Hilfe versorgt, eine politische Unterstützung blieb aber aus.

Mittlerweile hat die Türkei die Grenze geschlossen. Es soll verhindert werden, daß sich noch mehr Flüchtlinge bei den Alliierten und der UNO im Nordirak Gehör verschaffen. Um die Rückführung der Geflohenen zu erzwingen, setzt die Türkei die irakischen Kurden unter Druck. Die Drohungen reichen vom Kappen der Versorgungswege bis zu militärischem Eingreifen. Rizgar Dostani