■ Von wegen Tabuthema: „Geburtenkontrolle“
: Fehlalarm aus dem Vatikan

Rom (taz) – Padre Pasquale Borgomeo, Chef von Radio Vatikan, hatte die Schuldigen schnell bei der Hand: „Die Presse“ sagte er, und es klang wirklich verzweifelt, „die Presse kann einfach nicht lesen.“

Lesen wahrscheinlich schon; die Frage ist eher, ob sie auch versteht, was sie liest. Tatsächlich hat sich nicht nur Borgomeo, sondern auch so mancher kampferprobte Auslandskorrespondent (darunter der der taz) in den letzten Tagen ob der Nachfrage aus der eigenen Redaktion zu Hause die Haare gerauft: von einer „völlig überraschenden Wende in der Familienpolitik des Vatikan“ war die Rede, die „Geburtenkontrolle sei erstmals aus der Tabuzone“ heraus, der Papst bereit, das Thema zu diskutieren. Ein Knüller mithin.

Zutreffend am Ganzen war, daß die Päpstliche Akademie zu Rom eine Studie veröffentlicht hatte, in der sie die Bevölkerungsexplosion auf der Erde als Gefahr dargestellt und die Zwei-Kinder-Familie als erstrebenswert bezeichnet hatte. Daß das nur mit Geburtenkontrolle geht, ist eine logische Ableitung, und das leugnet denn auch niemand.

Doch wo liegt der Knüller? Daß die Erde nicht unbeschränkt Menschen tragen kann, hat auch der Papst nie in Abrede gestellt, Geburtenkontrolle war ihm nie ein Tabu – die Frage dreht sich nur um das Wie der Kontrolle. Für Johannes Paul II. gibt es nur eine Methode – „die natürliche“, und das heißt bei ihm Enthaltung. Kein Kondom, keine Pille, keine Spritze – schlichtweg nicht vögeln, lautet die Botschaft, und damit hat sich's. Selbst Knaus-Ogino läßt er nicht so recht zu: Zwar könne man die befruchtungsfreien Tage nutzen, hat er schon 1979 verkündet, doch verboten sei der ständige Blick auf den Kalender, wenn man gerade Lust zu Liebe verspürt. Auch daran hat sich nichts geändert. Will heißen: Wer keine Kinder will, behalte Lust und Samen für sich.

Daß die simplen Zwei-Kinder- Feststellungen der päpstlichen Akademie weltweit (und übrigens auch in Italien) soviel Sensation auslösen konnten, hängt offenbar wirklich mit einer besonderen Art von Betriebsblindheit zusammen – in der Meinung, bei Papst sei selbst das Wort Sexualität und Geburtenkontrolle tabu, hält die Presse es schon für eine Sensation, wenn es von einer päpstlichen Institution ausgesprochen wird. Dabei gibt es kaum eine Institution, die diese Worte in den letzten Jahren mehr und öfter verwendet hat – alleine Johannes Paul II. nach glaubhaften Zählungen seit Jahresbeginn mehr als 80mal. Und die Botschaft war immer dieselbe: Geburtenkontrolle gibt's nur über Keuschheit. Basta. Werner Raith