Brasilianischer Arzt: „Ich habe abgetrieben!“

■ Beginn einer neuen Kampagne

Sao Paulo (taz) – Das öffentliche Bekenntnis eines brasilianischen Frauenarztes, trotz gesetzlichen Verbotes mißgebildete Föten abzutreiben, hat in Brasilien eine Polemik entfacht. „Wenn durch meine Verhaftung endlich die überholte Gesetzgebung geändert wird, ist dies im Vergleich zum Leiden der Frauen ein geringer Preis“, erklärte der Gynäkologe Anibal Faundes. Der Direktor des Gesundheitszentrums für Frauen an der brasilianischen Universität „Unicamp“ im Bundesstaat Sao Paulo reichte in der vergangenen Woche schon einmal vorsorglich seine Kündigung ein.

Während eines Interviews erklärte Faundes, daß er in diesem Jahr bereits zwei Schwangerschaften unterbrochen habe. „Wenn das Kind nicht überlebensfähig und das Leben der Mutter bedroht ist, sehe ich keine ethischen Einwände gegen eine Abtreibung“, erklärte der Gynäkologe.

Die brasilianische Justiz genehmigte in den letzten beiden Jahren sieben Mal Abtreibungen mißgebildeter Föten. Dabei handelt es sich jedoch um Ausnahmen. Nach brasilianischem Recht steht Abtreibung unter Strafe. Lediglich im Falle einer Vergewaltigung oder wenn Lebensgefahr für die Mutter besteht, erlaubt das Gesetz einen Schwangerschaftsabbruch. Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen, können mit Haftstrafen bis zu drei Jahren belangt werden. Ärzte müssen mit Strafen bis zu vier Jahren rechnen.

Auf die Praxis hat die strenge Gesetzgebung allerdings keinen Einfluß. In der größten katholischen Nation der Welt werden jährlich schätzungsweise fünf Millionen Abtreibungen vorgenommen. „Die Gesetzgebung in Brasilien ist archaisch und muß revidiert werden“, erklärte der Direktor der brasilianischen Eliteuniversität „Unicamp“, Jose Martins Filho. Er beabsichtige aus diesem Grund, in der Universität eine landesweite Debatte zum Thema Abtreibung zu organisieren.

Brasiliens ehemaliger Justizminister Mauricio Correa hatte bereits im vergangenen Jahr versucht, am Tabu Abtreibung zu rütteln (die taz berichtete). Die Gesetzgebung sei heuchlerisch und schade lediglich den Frauen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten. Auch der Präsidentschaftskandidat der brasilianischen Arbeiterpartei PT, Luis Inacio Lula da Silva, schlug kürzlich vor, die Abtreibung in den ersten drei Monaten zu legalisieren. Doch der Druck der katholischen Kirche und insbesondere die Angst, seine Wähler aus dem linkskatholischen Lager zu verlieren, bewogen Lula, den umstrittenen Punkt aus dem Regierungsprogramm der Partei wieder zurückzuziehen. Astrid Prange