Hasenrubel gibt Fersengeld

Heute wird in Weißrußland gewählt / Wahlkämpfer drohen, aus der geplanten Währungsunion mit Rußland wieder auszusteigen  ■ Aus Minsk Klaus Bachmann

Aus weißrussischer Sicht ist Rußland fast schon eine stabile Marktwirtschaft. Der kleine GUS- Staat zwischen Polen und Rußland leidet unter den Tschernobyl-Folgen, die Jahr für Jahr 20 Prozent des Staatsbudgets kosten. Gleichzeitig haben es die postsowjetischen Regierungen versäumt, mit Wirtschaftsreformen auch nur anzufangen, wie die Experten von drei renommierten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten in ihrer gestern voröffentlichten Bestandsaufnahme der Lage Weißrußlands kritisieren.

Wie zu UdSSR-Zeiten versucht die Regierung, die Industrieproduktion mit immer neuen Staatsaufträgen und Krediten am Laufen zu halten – mit dem Erfolg, daß die monatliche Inflationsrate mit 40 Prozent viermal so hoch ist wie die russische. Die Produktion, die trotz sinkender Nachfrage bis Mitte 1993 auf der Höhe des Sowjetniveaus gehalten werden konnte, brach zu Beginn des Jahres 1994 dann um so stärker ein: um 35 Prozent im ersten Quartal.

Die Flucht zurück in eine Währungs- und Zollunion mit Rußland, wie sie Weißrußlands starker Mann, Premier Wjatscheslaw Kebitsch, durchgesetzt hat, beurteilen die Wirtschaftsforscher (von DIW, IfW und IWH) allerdings skeptisch: Rußland könnte seinem wirtschaftlich schwachen Nachbarn die Bedingungen diktieren – eine Befürchtung, die inzwischen auch von vielen Weißrussen geteilt wird.

„Ich bin dagegen, unsere Souveränität für eine gemeinsame Währung zu opfern“, sagt heute der Chef der weißrussischen Nationalbank, Stanislaw Bogdankewitsch, der inzwischen der prominenteste Gegner der weißrussisch-russischen Währungsunion in Minsk ist.

Wahlgeschenke heizen die Inflation weiter an

Die Idee der Währungsunion kam auf, als sich herausstellte, daß die weißrussische Kuponwährung immer weiter verfiel und im April bei einem Umtauschkurs von 10:1 zum russischen Rubel landete. Bei einem Kurs von 1:1 für Bares und 4:1 für Bankverrechnungen, wie ihn Weißrußland noch im März forderte, würde Rußland die weißrussische Inflation importieren.

Bogdankewitsch: „Wir hatten vereinbart, daß sowohl die weißrussische, als auch die russische Nationalbank Rubel emittieren können, jeweils proportional zu den jeweiligen Bruttoinlandsprodukten beider Länder.“ Doch Rußland schlug einen ungünstigeren Kurs und die Umwandlung der Minsker Nationalbank in eine Filiale der Russischen Nationalbank vor. Auch in Moskau sind die Unionspläne von den Reformern kritisiert worden, die gewaltige Anschlußkosten auf Rußland zukommen sehen.

Inzwischen sind noch weitere Hindernisse hinzugekommen. Vor den Präsidentschaftswahlen heute, bei denen Premier Kebitsch kandidiert, verfügte dessen Regierung zahlreiche Preisstopps bei gleichzeitiger Anhebung von Löhnen und Vergabe zahlloser Vergünstigungen für staatliche Leistungen – was die Inflation zusätzlich anheizte. Insgesamt wollte die Regierung für Subventionen im ersten Quartal dieses Jahres vier Billionen Kupons oder „Hasen“ – wie diese im Volksmund wegen ihres Aufdrucks genannt werden – an Krediten aufnehmen. Genehmigt hat die Nationalbank allerdings bisher nur 500 Millionen.

Als Vorteil der Währungsunion, so die Regierung, werde russisches Öl künftig zollfrei eingeführt. Doch Bogdankewitsch wischt die Illusion, Energie werde billiger, gleich vom Tisch: „Wir zahlen so oder so inzwischen Weltmarktpreise an Rußland.“

Auch der stellvertretende Parlamentspräsident Wjatscheslaw Kuznezow gibt inzwischen zu, daß der im letzten Jahr geschlossene Vertrag über die Währungsunion verfassungswidrig ist, denn die Verfassung sieht allein die Nationalbank als Emissionszentrum vor. Außerdem fehlen dem Vertrag zwei Anhänge über eine gemeinsame Budget- und Bankenpolitik sowie die Unterschrift des Nationalbankchefs – der inzwischen zu einem der Hauptgegner der weiteren Integration geworden ist.

In einem vielbeachteten Artikel führte er aus, daß Weißrußland für seine zahllosen Bartergeschäfte mit Rußland permanent zuzahle: „Der Preis eines weißrussischen Traktors im Clearing mit Rußland beträgt nur 82 Prozent des innerweißrussischen Preises.“ Wenn Weißrußland dagegen von Rußland Öl importiere, läge der Preis dafür um 30 Prozent über dem innerweißrussischen. Durch solche Geschäfte steige die Verschuldung Weißrußlands gegenüber dem großen Nachbarn immer weiter an. Die Differenz werde aus Subventionen bezahlt. So wird die Inflation immer höher, der Abstand zu Rußland steigt, aber gleichzeitig auch die wirtschaftliche Abhängigkeit Minsks von Moskau.