Geht Heckelmann? Geh'n auch andere?

CDU steht weiter zum umstrittenen Innensenator / Große Koalition überlegt nun, den Senat zu verkleinern / Auch SPD-Senatoren müßten gehen / Am Abend neues Spitzengespräch  ■ Von Dirk Wildt

Berlin (taz) – Die Berliner CDU und SPD wollen die Große Koalition offenbar unbedingt retten – die Union mit dem umstrittenen Innensenator Dieter Heckelmann (CDU), die Sozialdemokraten ohne ihn. Nach sechsstündiger Sitzung der SPD-Fraktion am Dienstag abend gab es allerdings deutliche Signale an die CDU. Die Fraktion beschloß nämlich wider Erwarten keinen Mißtrauensantrag gegen Heckelmann, dem sie beim Thema Rechtsextremismus die Verletzung seiner Dienstpflicht vorwirft, sondern verschob die Abstimmung auf heute früh. Der gestrige Tag sollte genutzt werden, um mit der CDU „Spielräume auszuloten“, sagte SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt nach der Sitzung.

Gestern trafen sich nun die sieben SPD-Senatoren mit Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister und Berliner CDU-Vorsitzender, zu einem anderthalbstündigen Gespräch. Wie Staatssekretär Frank Bielka (SPD) der taz berichtete, sei ein „Revirement“ des Senats durchgespielt worden. Ursprünglich war die Verkleinerung der Landesregierung von derzeit 15 auf zehn Senatoren erst für Ende kommenden Jahres – nach Ende der Legislaturperiode – geplant. Wie Bielka sagte, soll dieser Termin möglicherweise auf diesen Herbst vorgezogen werden. Staffelt, der den Bundesparteitag seiner Partei in Halle besuchte, wollte sich abends mit Diepgen zu einem Spitzengespräch treffen.

Hintergrund der längst überfälligen Verkleinerung des Senats: Würde die SPD Heckelmann stürzen, würde die CDU die Koalition beenden und Neuwahlen stünden ins Haus. Doch Neuwahlen will keiner – auch nicht die Opposition. Zwar brachte die CDU vorgestern bereits den 16. Oktober als Wahltermin ins Gespräch, weil sie im Sog der Bundestagswahl ein besseres Wahlergebnis erwartet, doch sie könnte nach den zu erwartenden Ergebnissen nur wieder eine Koalition mit der SPD bilden. Die SPD fürchtet zusätzlich ein schlechtes Ergebnis. Die FDP würde vermutlich die Fünfprozenthürde verfehlen, und die Grünen bemängelten gestern, daß bei einer Koppelung von Bundestags- und Abgeordnetenhauswahlen ihren Bundestagskandidaten im Falle eines Mißerfolgs die Chance genommen wäre, danach für den Landtag zu kandidieren. Gewinner wäre vor allem die PDS, die bei der vergangenen Europawahl ihr Ergebnis im Ostteil der Stadt auf 40 Prozent ausbauen konnte. Gegen Neuwahlen spricht außerdem, daß das Parlament schon dieses und nicht erst kommendes Jahr auf 150 Sitze reduziert würde. Zur Zeit haben 241 Politiker ein Abgeordnetenhausmandat.

Die SPD hatte die Entscheidung für den Mißtrauensantrag auch deshalb auf heute früh verschoben, um dem Innensenator noch einen zusätzlichen Tag für einen freiwilligen Rücktritt zu ermöglichen. So könnte die CDU ihr Gesicht wahren und wäre der Weg für eine Senatsverkleinerung frei. Möglicherweise würde das von der SPD besetzte Justizressort mit dem Innenressort zusammengelegt. Im Gegenzug würde die Verkehrsverwaltung – von dem völlig unfähigen CDU-Mitglied Herwig Haase geführt – aufgelöst und zwischen Bau (SPD) und Stadtentwicklung (CDU) aufgeteilt.

Wie berichtet, werfen die Sozialdemokraten Heckelmann vor, Hinweisen von Polizei und Verfassungsschutz nicht nachgegangen zu sein. Beamte hatten seinen Pressesprecher Hans-Christopf Bonfert beobachtet, als er sich nach dem monatlich stattfindenden rechten „Dienstags-Gespräch“ mit Gastgeber Ulrich Pieper, ehemaliger NPDler und Ex- „Republikaner“, zurückgezogen hatte. Als der Fall letzte Woche bekannt wurde, hatten Heckelmann und sein Staatssekretär behauptet, ihr Sprecher habe nicht gewußt, mit welchen Leuten er sich abgegeben habe. Doch da er Mitglied im Bundesvorstand der ultrakonservativen Paneuropaunion ist und die rechtsradikale Wochenzeitung Junge Freiheit abonniert hatte, ist diese Darstellung völlig unglaubwürdig.