Fünfhunderttausend auf kaltem Wege ausgebürgert

■ Lettland grenzt russische Bürger aus

Berlin (taz) – Das lettische Parlament hat ein Staatsangehörigkeitsgesetz verabschiedet, das rund 500.000 russische Bewohner Lettlands zu Staatenlosen erklärt. Die sofortige Einbürgerung ist demnach nur für diejenigen Angehörigen nationaler Minderheiten möglich, die seit mindestens zehn Jahren mit einem Letten verheiratet sind und fließend Lettisch sprechen. Bis zum Jahr 2000 sollen zudem die russischen Einwohner die lettische Staatsbürgerschaft erlangen, die in Lettland geboren und jünger als 30 Jahre sind.

Die restlichen 500.000 gelten als „illegale Einwanderer“, die ab der Jahrtausendwende ihre Einbürgerung beantragen können. Die hierfür geltende „Naturalisierungsquote“ von 0,1 Prozent – bezogen auf die Zahl der lettischen Staatsangehörigen des jeweiligen Vorjahres – hatte die KSZE scharf kritisiert. Bei der Schlußabstimmung über das gesamte Gesetz votierten 66 Abgeordnete für die Vorlage, elf waren dagegen, drei enthielten sich. Im Verlauf der vorangegangenen Debatte hatte es zunächst danach ausgesehen, als würde die umstrittene Quotenregelung gestrichen werden. Einen entsprechenden Vorschlag hatten sowohl der „Lettische Weg“ als auch Vertreter des Koalitionspartners „Bauernbund“ und einige Oppositionsgruppen unterstützt. In geheimer Stimmabgabe fand dies eine knappe Mehrheit. Überraschenderweise wurde dann aber die um die Quotenregelung gekürzte Fassung des Naturalisierungsparagraphen abgelehnt. Der Leiter der KSZE-Mission in Lettland erklärte, daß das Staatsbürgerschaftsgesetz für Lettlands Beziehungen zu den europäischen Organisationen „ernsthafte Probleme“ bringen werde. Die Anwendung des Gesetzes kann nun nur noch von Staatspräsident Guntis Ulmanis verhindert werden. Er könnte es zur erneuten Behandlung an das Parlament zurückverweisen. Sollte das Gesetz nicht verändert werden, schließt Ministerpräsident Birkavs den Rücktritt des gesamten Kabinetts nicht aus. Ojars J. Rozitis

Kommentar Seite 10