■ Urdrüs wahre Kolumne: Gut aufgepaßt, Alltagsheldin
Live-Übertragung des WM-Spiels Rumänien-Schweiz mitten hinein in eine Waller Kneipe, die zwar nicht an einer Ecke liegt, aber sonst alle Attribute einer Ecckneipe auf und in sich vereinigt, vom Sparclubfach bis hin zu den rosa Steinen in der Pinkelrinne. Das Interesse eher unterkühlt, schließlich ist Appenzell kein deutsches Bundesland und der Wirt hat drum weder für Tore der einen noch der anderen Mannschaft eine Schnapsprämie. Kurz nach dem 2:1 tritt ein später Kunde ein und erfasst die Lage nach verglastem Rundumblick: „Achso, TuS Walle-Handballdamen. Da geb ich einen aus.“ Dem Herrn des Köm ist dies angenehm. Soll man ihn mangelnder Wahrheitsliebe be-zichtigen, weil er die Sache nicht gleich aufgeklärt hat?
Die wissen auch nicht mehr, wannse Schiß haben, die da oben. Erst diktieren sie der taz ganz nonchalant in die Schlagzeile, daß sie keine Angst vor Attentaten am 3.Oktober haben, dann wieder schreien sie ihr Muffensausen auf der Titelseite des Weserreport heraus. Ja wie denn nun? Schön zumindest, daß die spiritistische Doitschland-Seance im Dom abgesagt wurde, denn wenn's dem Herrn gefallen sollte, den Blitz in die illustre Versammlung zu schicken, so wäre doch der Verlust der kirchlichen Mehrzweck-Gymnastikhalle St.Ansgarii allenfalls ein versicherungsrechtliches Problem, wohingegen St.Petri uns ja überkonfessionell am Herzchen liegt.
So zu erleben im Trendshop für Turnschuhe an der Obernstraße. Eine jugendliche Mutter mit ihrem elfjährigen Nervtöter beim Einkaufsgespräch. Sie: “Mehr als 8O Mark für Turnschuhe ist nicht.“ Er: „Du hast gesagt 15O für Schuhe und 2OO für die Jacke.“ Sie (mit Löwinnenmut): „Nein, 2OO Mark für beides. Das ist mein letztes Wort.“ Er: „Leck mich... dann will ich überhaupt nichts.“ Sie: „In Ordnung!“ Solche Elternteile, sie seien gepriesen. Und Gift und Galle auf all die Redakteusen von Teeny-Postillen, die mit ihren In- und Out-Listen Unfrieden in die Familien tragen und sich als ZuhälterInnen für den ganzen Shopping-Rotz des jungen Markts betätigen. Der Fluch wird euch treffen an Kindern und Kindeskindern!
Deutsche Polizei heißt das Fachblatt für Innere Sicherheit, das von der GdP herausgegeben wird. Und darin kündigen die Blue Knights Germany jetzt das 3.Internationale Freundschaftstreffen motorradfahrender Polizisten im Jugendferienheim Buchholtz-Sprötze an, mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß die Gummikuh-Freizeit „inmitten des Naturschutzgebietes Lüneburger Heide“ stattfindet. Saubande, scheinheilige. Und danach profiliert sich dieses Völkchen dann wieder heimatzeitungsgerecht als Rettung von Entenküken und Kröten. Werden weder rot noch grün dabei.
Auf einem Skateboard prescht ein Jüngling im Konfirmandenalter durch die Sögestraße und nutzt ein ums andere mal harmlose PassantInnen als Prellbock, Wendemarke oder Slalom-Markierung. Bis es einer softeis-nuckelnden Seniorin zuviel wird und sie den Rüpel mittels Stuhls zu Fall bringt. „Kannse nich aufpassen, Oma“ schreit der junge Sportsmann noch vom harten Pflaster, was unsere Alltagsheldin souverän mit den Worten kontert: „Ich passe besser auf, als dir lieb sein kann!“ Tusch, gnädige Frau, und Chapeau...
Wer beim Werbefernsehen nicht gleich zur Fernbedieung greift, der kennt auch diesen Hundezüchter, der seine Lieblinge mit Fleich aus der Fertigfutterpackung verwöhnt. Und an einem Imbiß unweit der Giftecke am Sielwall fragt jetzt auch schon der Verkäufer, ob man die Pastete mit Fleich gefüllt wünsche. Sollte nicht das Goethe-Institut im Interesse von Deutsch für Ausländer endlich mal darauf drängen, daß solchen Stammlern im Werbespot kein Forum zur sprachlichen Desorientierung ausländischer Mitbürger geboten wird? Auf fleichlose Zeiten!
UrDrü
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