Die Euphorie ist vorbei

■ Vier Jahre Methadon-Substitution in Bremen – eine Tagung zieht Bilanz: Der Einstieg in die Normalität gelingt selten .Vor allem Arbeitsstellen fehlen

Nach anfänglicher Euphorie macht sich jetzt bei vielen Substituierten Ernüchterung breit. Hatte sich zu Beginn der Behandlung mit Methadon ihre Gesundheit spürbar verbessert und sich ihre Lebenslage stabilisiert, stehen sie jetzt vor der Frage, wie es weitergehen kann. Der Ausstieg aus der Drogenkarriere ist geschafft, aber der Einstieg in die Normalität ist (fast) unmöglich.

Diesem Problem stellten sich jetzt die TeilnehmerInnen der Tagung „Substitution in Bremen – Chancen und Grenzen“. Der Arbeitskreis Drogensozialarbeit vom Paritätischen Wohlfahrtsverband hatte zur Fachtagung geladen, um nach vierjähriger Arbeit eine Bilanz zu ziehen und neue Arbeitsschwerpunkte zu diskutieren.

In Bremen geht man von 2.000-3.000 Drogenabhängigen aus, wovon zur Zeit 760 substituiert sind. Den Substituierten ist die Sicherung der Grundversorgung, also Wohnung und Arbeit, am wichtigsten. Aber genau das ist zur Zeit nicht möglich. Es gibt in Bremen zwar 150 betreute Wohnplätze, aber die Personalsituation ist hier so schlecht, daß das Ziel der Betreuung, nämlich Entlassung der Substituierten in eine eigene Wohnung, nicht erreicht wird. Heino Stöver vom Verein für akzeptierende Drogenarbeit beschreibt die Situation: „Plätze werden dort nur frei, wenn jemand einen Therapieplatz bekommt oder stirbt.“

Ähnlich drastisch äußert sich Jens Springhorn, Leiter der Vermittlungsabteilung beim Bremer Arbeitsmarkt, wenn man ihn auf die Chancen der Substituierten auf dem Arbeitsmarkt anspricht. „Die Substituierten haben eigentlich keine Chance. Sie gehören zur kleinen Gruppe der Langzeitarbeitslosen, die schon seit zehn und mehr Jahren nicht mehr gearbeitet haben. Bei 34.000 Arbeitslosen und 1.200 freien Stellen sind die Substituierten auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht konkurrenzfähig.“

Es gebe zwar Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, an denen KlientInnen durchaus erfolgreich teilnehmen – wenn sich denn endlich ein Arbeitgeber für solch ein Projekt gefunden hat. „Wer diese Menschen näher kennt, hat auch mehr Verständnis für Ihre Situation, aber insgesamt ist die Akzeptanz in unserer Gesellschaft gering“, so Springhorn.

Einige Maßnahmenträger wollten schlichtweg keine ehemaligen Drogenabhängigen in ihren Programmen, sagt der Leiter der Vermittlungsabteilung. Zum Teil basiere das auf schlechten Erfahrungen mit Substituierten, erklärt er, die doch nicht so clean waren, wie gedacht und deswegen an Maschinen nicht einsetzbar waren. Andere Träger befürchten eher, daß die Substituierten die anderen TeilnehmerInnen „androgen“.

Selbstkritisch merken die TagungsteilnehmerInnen an, daß sie Substituierte mehr in BSHG-Maßnahmen vermitteln könnten. Das hätte den Vorteil, daß Arbeitszeiten flexibler gehandhabt werden könnten, denn die Förderstruktur des Arbeitsamtes sieht vor, daß die TeilnehmerInnnen sich verpflichten müssen, ganztägig teilzunehmen. Das sei vielen Substituierten besonders anfangs nicht möglich.

Anke Teebken, Referentin des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, betont die Wichtigkeit der begleitenden psychosozialen Beratung. „Diese Betreuung wird aber nicht über die Kassen finanziert, sondern muß von der Öffentlichen Hand getragen werden. Für Bremen heißt das, 25 BetreuerInnen sind für 790 Substituierte zuständig. Das ist viel zuwenig.“ Das Auftauchen aus einer jahrelangen Betäubung ist für viele Ex-Junkies mit der Erkenntnis verbunden, daß die Gründe für ihr Abrutschen in die Abhängigkeit sich nicht in Luft aufgelöst haben.

„Die Schatten der Vergangenheit holen sie ein“, sagt Gerd Böttcher vom Verein für Suchttherapie Ani Avati. „Bei ganz vorsichtigen Schätzungen kann man sagen, daß etwa ein Drittel die Integration schafft, ein weiteres Drittel steht auf der Kippe und braucht gute Betreuung und das letzte Drittel schafft es nicht.“ Gudrun Kaatz