Alle haben ein blaues Auge, Staffelt hat zwei

■ Bündnis-90-Fraktionschef Wolfgang Wieland zum Fazit des Koalitionsstreits

taz: Hat das Ergebnis die große Krise der Koalition gerechtfertigt?

Wolfgang Wieland: Überhaupt nicht. Das Ergebnis ist ein oberfauler Kompromiß. Es haben alle ein blaues Auge, und Ditmar Staffelt hat zwei. Diepgen ist Tagessieger, und Heckelmann ist amputiert. Er ist der einzige Innenminister, der nicht für den Verfassungsschutz zuständig ist.

Falsch ist es nicht, Heckelmann, der in der Mykonos-Affäre total versagt hat, die Aufsicht über den Verfassungsschutz wegzunehmen – es ist bloß nicht ausreichend.

Das ist kein Ausweg aus der Krise. Heckelmanns Versäumnisse haben es den Attentätern leichtgemacht. Auch deswegen wäre der Innensenator als Sicherheitsrisiko abzulösen. Jetzt haben wir einen halben Innensenator, und das Sicherheitsrisiko bleibt.

Aber es ist noch schlimmer. Der kombinierte geschäftsführende SPD-Landes- und Fraktionsvorstand hat am Montag zusammen mit den SPD-Senatoren einstimmig beschlossen: „Ein Verbleiben von Heckelmann im Amt begünstigt den Rechtsextremismus in Berlin.“ Heute hat die SPD also einen Beitrag zur Förderung des Rechtsextremismus geleistet.

Hat sich Staffelt übernommen, weil er die eigene Fraktion falsch einschätzte?

Staffelt hat noch gestern auf dem SPD-Parteitag in Halle gesagt, es „gibt keinen gemeinsamen Weg mehr mit Heckelmann“. Einen Tag später ist er umgefallen nach Art der FDP. Das bleibt nicht ohne Blessuren. In der Sprache des Fußballs: Wer den Ball auf den Elfmeterpunkt legt und dann nicht schießt, der macht sich lächerlich.

Ist in der SPD-Fraktion überhaupt politisch entschieden worden, oder hat der Bauch der Ost- Abgeordneten und der Hinterbänkler entschieden, die bei Neuwahlen bei verkleinertem Parlament keine Chance mehr haben?

Es gibt Existenzängste, die eine Auflösung des Abgeordnetenhauses mit Zweidrittelmehrheit schwierig bis unmöglich gemacht hätten. Ein Teil der Parlamentarier hat die sieben Jahre für die Rentenansprüche noch nicht voll. Dazu kommt die Verkleinerung und die Angst der Direktkandidaten aus Ostberlin, gegenüber der PDS zu unterliegen. Außerdem war Diepgen in einer starken Position. Neuwahlen am Tage der Bundestagswahlen zum 16. Oktober wären für die CDU günstig gewesen. Deswegen war die SPD-Drohung von Neuwahlen keine.

Wurde von der SPD sanktioniert, daß Heckelmann mehrfach versagt hat und auch in der Affäre Bonfert keinerlei Gespür hatte, welcher Schaden für die Stadt dadurch entstehen wird?

Die ganze Amtsführung von Heckelmann wurde von Anfang an sanktioniert. Heckelmann war bereits in seiner FU-Zeit mit seinen schmutzigen Tricks bekannt. Er war eine Zumutung für die politische Moral vom ersten Tag an. Die SPD hat alles geschluckt. Gespräch: Gerd Nowakowski