Heute hier, morgen dort

Die Böhsen Onkelz sind wieder auf Tour – mittlerweile zu Antirassisten geläutert. Doch waren sie nicht schon länger so drauf, nur keiner hat's gemerkt? Sind sie am Ende das Opfer linker Rechtsgläubigkeit und Rock-Katharsis?  ■ Von Klaus Farin

Da hat's dann eine Diskussion gegeben, wie man in Kommunen so sagt. Unterschiedlich die Reaktionen, die Klaus Farins Verteidigung der Böhsen Onkelz bei denen hervorrief, die sie vor Veröffentlichung zur Kenntnis nahmen. Die Fassung, in der der Text erscheint, stellt den nicht weiter verrückbaren Kompromiß zwischen Redaktion und Autor dar. Wir bieten sie zur Diskussion an, auch wenn sie die entscheidende Frage – wie „normal“ ist eine Band wie die Böhsen Onkelz im heutigen Deutschland? Wie „steigt“ man aus rassistischen Attitudes „aus“? – ganz offensichtlich und nicht einmal besonders elegant umschifft.

Eine seltsame Karriere. Songtitel von ihnen geben die Textvorlage für Uni-Kurse und Lehrerfortbildungsveranstaltungen, Kommentatoren, die seit 20 Jahren kein Rockkonzert mehr besucht haben, widmen ihnen kostbare Zeilen, und selbst Bernd Schmitt, der Solinger Neonazi-Coach im VS-Sold, begründet vor Gericht die telefonische Warnung seiner Schützlinge vor einer drohenden Hausdurchsuchung seines Arbeitgebers damit: „Ich wußte, daß die Musik von den Böhsen Onkelz hatten, sonst nichts.“

Sonst nichts: Das kennzeichnet den Stand. Auffällig bei der werbewirksamen Anti-Onkelz-Debatte ist die fast durchgängig hochgradig moralische Argumentation. Da ist das immer wieder erwähnte „Türkenlied“ nicht nur rassistisch, sondern gleich „widerlich rassistisch“ (Walter Jakobs in der taz vom 21.4.94), als gäbe es auch einen „nicht widerlichen“ Rassismus. „Rocklexikon“-Autor und Radio-DJ Barry Graves forderte gar in einem Leserbrief an das Branchenblatt Der Musikmarkt einen Boykott des Plattenkonzerns Bellaphon, solange dieser den „braunen Sud“ von Onkelz, „mit Produkten, die ausschließlich Neonazis gefällig sind“, vertreibe. „Das ist das Mindeste, was getan werden kann, um den Anfängen zu wehren.“

Das Pathos der medialen Onkelz-Debatte kann allerdings nicht über die gegen Null tendierende Sachkenntnis der meisten ZunftkollegInnen hinwegtäuschen – wie so häufig, wenn denk- und Recherchefaulheit durch Moral, Klischees und Erfindungen ausgeglichen werden. So berichtete Der Tagesspiegel im Dezember 93 über Raubkopien von Störkraft, Endstufe und Kahlkopf auf dem Flohmarkt der polnischen Grenzstadt Slubice: „Auf Wunsch wird sogar vorgespielt. ,Deutscher steh auf und wehr dich!‘“ Vier Wochen später, am 15.1.94, heißt es pötzlich in einer „Reportage“ der Neuen Zeit über den „Polenmarkt in Krajnik Dolny“ (!): „... eine Doppelcassette der Böhsen Onkelz wird in den bereitstehenden Recorder gelegt, aus dem es dann dröhnt: ,Wir haben noch lange nicht genug. Deutscher steh auf und wehr dich!‘“ (Daß es dieses Zitat in keinem Onkelz-Song gibt, bedarf da schon fast keiner Erwähnung mehr.) Zur Zeit der Hochkonjunktur der Onkelz-Debatte 1992/93, als sich schon einmal 30 (!) Bürgerinitiativen vereinten, um ein einziges Onkelz-Konzert zu verhindern, habe ich mir gelegentlich das Vergnügen geleistet, KollegInnen, die in ihren Beiträgen den Song „Türken raus“ erwähnt oder gar daraus zitiert hatten, anzurufen mit der Bitte, mir den Song doch einmal zu kopieren. Ergebnis: Kein einziger hatte ihn jemals gehört (jeder zweite hatte nie einen Song der Onkelz gehört). Alle beriefen sich ausnahmslos auf frühere Berichte anderer Medien. Die, stellte sich allerdings heraus, kannten das Ding auch nur vom Hörensagen. (Die Band hat den Song nie offiziell veröffentlicht; er existiert lediglich als Bootleg-Kopie einer Probenraumaufnahme von etwa 1982.) Regelmäßig und auch in seriösen Blättern wird kolportiert, die Band habe von der Bühne herab zu rassistischen Attentaten aufgerufen. „Und danach kommt es fast regelmäßig zu Prügeleien oder rüden Szenen vor Ausländerheimen“, weiß etwa das Fachmagzin Audio plus im Januar 93 zu berichten. Weder dem Verfassungsschutz noch Onkelz-Gegnern aus der Antifa-Szene liegen Erkenntnisse über solche Ereignisse vor. Die einzigen, die Beschied wissen, sind Medienbeobachter, wobei die mehrfach in Lokalzeitungen genannten Beispiele stets weit vom Erscheinungsort des Blattes entfernt spielten. „Ich krieg' Presseberichte in die Hand, wo über Ausschreitungen nach Konzerten von uns die Rede war, an Orten, wo wir niemals gespielt haben“, erzählt Onkelz-Kopf Stephan Weidner.

Offensichtlich geht es längst nicht mehr um eine Rockband, die mit vielleicht vier Millionen verkauften Tonträgern bestenfalls im Mittelfeld des deutschen Musikbusiness angesiedelt ist. Die Ex- Skins aus Frankfurt am Main sind zum Lackmustest für political correctness geworden: Sag mir, wie du zu den Onkelz stehst, und ich weiß, ob du rechts oder links, Rassist oder Antifaschist bist. So schlug Dany Cohn-Bendit allen Ernstes vor, eine „Ehrenjury“ zu bilden, die die Texte der Band genauer unter die Lupe nehmen solle. Dabei würde schon das einfache Anhören ihrer Platten und Bootlegs deutlich machen, daß gerade die Onkelz das falsche Objekt für den antifaschistischen Widerstand sind. Ihr Repertoire unterscheidet sich nämlich fundamental von dem der wirklichen „Rechts“- oder „Nazi“-Rocker, besonders der ganz jungen der neunziger Jahre, die zuerst ein paar extreme Texte – möglichst rassistisch, antisemitisch, nationalsozialistisch – schreiben, bevor sie die Gebrauchsanweisung für ihre Instrumente lesen. Wer weder über langjährige Szenezugehörigkeit noch über musikalisch-handwerkliche Qualitäten verfügt, muß sich eben über ultraharte Texte profilieren – der Ruch des Illegalen, Subversiven sichert auch der miesesten Politrockband das Publikum.

Die Böhsen Onkelz haben in 15 Jahren etwa 120 Songs aufgenommen – von denen exakt drei einen rechtsextremen beziehungsweise rassistischen Text haben („Deutschland den Deutschen“, „Türken raus“, Stücke, deren Text sich im wesentlichenm in diesen Parolen erschöpft). Das ist geradezu erstaunlich angesichts der Tatsache, daß die Band mehrere Jahre zum Kern der rechtsmilitanten Jugendszene Frankfurts gehörte (wobei es sich, um genauer zu formulieren, weniger um eine klassisch „rechte“, neonazistische Bewegung als eine männlich-chauvinistiche Subkultur handelte).

Gemeint ist die Frankfurter Punkszene beziehungsweise die Fraktion, zu der sich die Böhsen Onkelz gesellten. Punk zu sein bedeutete im Frankfurt der späten siebziger Jahre zunächst das gleiche wie überall: eine diffus anarchistische Rebellion gegen Kommerz und Staat, Spießer- und Warenwelt: Doch schnell wurde aus Punk New Wave oder Neue Deutsche Welle, die Teenagerrevolte zur Freizeitattitüde. Bravo diskutierte das Pro und Contra von Sicherheitsnadeln, und ein Versandkaufhaus warb mit dem Slogan „Schockieren ist schick“. Gleichzeitig entdeckten Teile der linksalternativen Szene den Punk als Jungbrunnen und behaupteten ihre jugend- und sub-kulturelle Hegemonie, indem sie die neuen Wilden adoptierten. Linke Soziologen studierten die antikapitalistische Kraft der Punks, Studentenkneipen führten Punk-Abende ein, ausgerechnet der Asta veranstaltete Ende 1980 das erste große Frankfurter Punk- Festival, und Joschka Fischer räumte in seiner Karl-Marx-Buchhandlung ein Regal für die neuesten Punk-Singles frei.

Während sich in anderen Regionen Teile der Punk- und der linkenSzene gegenseitig befruchteten und weitergehende politische und ästhetische Konzepte entwickelten (in Hamburg z.B. Alfred Hilsberg und Klaus Maeck, in Düsseldorf DAF, Der Plan oder die Toten Hosen, in Berlin DIN-A-Testbild, die Einstürzenden Neubauten oder

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Burkhard Seilers Zensor-Label etc.), dominierten in der Bankenmetropole zwischen Straßenjungs und Böhsen Onkelz jene, die eigentlich nur eins sein wollten: das genaue Gegenteil des ewig-jungen linken Establishments. War dies eben links und studentisch-intellektuell geprägt, so gaben sich die Schmuddelkinder vom Flohmarkt besonders proletenhaft. Fußball und Gewalt, Partys (die schönsten waren die, zu denen man nicht eingeladen war), Alkohol bis zum Abwinken und extreme Politikfeindlichkeit wurden zum identitätsstiftenden Markenzeichen der Frankfurter Punk-Community.

Der Weg vom Punk zum Fußballrowdy zum Skinhead war nicht weit. Und die Onkelz waren mit die ersten, die ihn gingen. Als die Umwelt sich längst an die bunten Gestalten gewöhnt hatte und immer mehr Kinder aus allen sozialen Schichten sich ein Müll-Outfit zulegten und ihre Haare färbten, rasierten sich die Onkelz sie ab und nannten sich von nun an Skinheads. Skin sein hieß, härter als alle anderen zu sein; Skin sein hieß, (wieder) richtig gehaßt zu werden (und gleichzeitig, zum Beispiel am Arbeitsplatz, unauffälliger erscheinen zu können); Skin sein hieß, die proletarische Underdog-Mentalität stärker zu betonen; Skin sein hieß, die egalitären Ansprüche der Punkszene, zum Beispiel hinsichtlich der Gleichbehandlung der Geschlechter, zugunsten einer ungebremsten Männlichkeit über Bord werfen zu können. Onkelz- Sänger Kevin Russell wurde bald der Anführer der rüdesten Skin- und Hooligangang. Egal ob es darum ging, ein Tote-Hosen-Konzert zu sprengen oder „Hippies“ zu jagen, er stand immer in der ersten Reihe. Verprügelt wurden Türken, Punks, Linke, aber auch andere Skins und Hools. Einfach jeder, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, konnte ein Opfer werden. „Die Zeiten von Liebe sind jetzt vorbei / Gewalt ist das Mittel gegen Ausbeuterei“, „Man lacht über dich, weil du Arbeiter bist / doch darauf bin ich stolz, ich hör nicht auf den Mist“, „Bullenschwein, ich mag dich nicht / deine Meinung interessiert mich nicht / Bullenschwein, ich hasse dich“, vertonten die Onkelz den Zeitgeist jener Jahre. Ihre Songs waren keine Aufrufe zur Gewalt, sondern sie spiegelten unreflektiert das wider, was die Band tagtäglich (er)lebte. Wie es ein Fan ausdrückte: „Jedes Bier, über das Kevin singt, hat er auch selbst getrunken.“ Sie wollten nicht ihr Publikum überzeugen, sondern ihren eigenen Haß herausschreien.

Die Böhsen Onkelz waren eine der authentischsten Prügelbands der frühen achtziger Jahre. Während sich allerorts die „Laß uns drüber reden“-Kommunikationskultur der Mittelschichten als Norm durchsetzte und selbst Fußballspieler plötzlich intelligente Interviews geben mußten, verweigerten Punks, Skins und Teile der Heavy-Metal-Szene diese Höflichkeitsrituale. Gewalt in Stadien, gegen Polizei, Politik und andere Jugendszenen bestimmte neben Alkohol, Sex und Partys das Repertoire jeder Punk- und Skinband, die was auf sich hielt.

Genau das ist der Schlüssel zur Attraktivität der frühen Toten Hosen, von Slime und Daily Terror, Body Checks/Beck's Pistols und Böhse Onkelz. Und nicht zufällig findet man heute in den Plattensammlungen der meisten älteren Punks, (nichtrassistischen) Skinheads und Autonomen all diese Bands friedlich nebeneinander.

Skin sein hieß Anfang der achtziger Jahre aber auch, „rechts“ zu sein – und sei es zunächst nur, weil die bevorzugten Prügelgegner „links“ waren. Nationalismus und Rassismus waren ohnehin keine exotischen Werte, sondern die ideologischen Grundmauern der Bonner Wende. Neonazigruppen wie Michael Kühnens ANS bemühten sich intensiv um die spektakuläre Prügelszene, boten Zusammenarbeit, gemeinsame Gegner und Treffpunkte an. Im Gegensatz zu Linken wurden sie auch geduldet, solange sie nicht durch zuviel Agitation nervten. Ernsthaft rekrutieren ließen sich allerdings letztlich nur wenige. Auch die Böhsen Onkelz nicht. „Neonazis sind feige Schweine. Die wollen die Skins praktisch als Dreck sehn, und wenn sie dann die Macht haben, dann machense die, die ihnen geholfen haben, gleich weg. Voll die Bastarde“, erklären sie 1983 in einem Interview. „Neonazis sind vielleicht in der Beziehung mit Ausländern meiner Meinung, aber nur teilweise, aber ich bin doch kein Adolf-Hitler-Fanatiker. Ich mein, Diktatur brauchen wir bestimmt nicht mehr.“

Die grundlegende Politikfeindlichkeit, der Ärger über ungeschickt-arrogante Instrumentalisierungsversuche der ANS und die Lust auf Randale jenseits von Parteidiszplin und -taktik ließen die Böhsen Onkelz auf Distanz zu neonazistischen Organisationen gehen. Dennoch gab es inhaltliche Übereinstimmungen, gemeinsame Feindbilder. Auch wenn die Band auf der Bühne keine neonazistische Agitation betrieb oder gar bei ihren Konzerten Parteiführer reden ließen wie die britischen Nazi- Idole Skrewdriver, so amüsierten sie sich aber doch, wenn ihr Publikum reihenweise „Sieg heil!“te und rassistische Slogans skandierte. Sie machten selten mit, taten oder sagten aber auch nichts dagegen. Daß ein Songtext „Türken raus, Türken raus, Türken raus“, sobald er vor Hunderten von Leuten von einer Bühne herab „gesungen“ wird, nicht mehr als unschuldig-aggressive Verarbeitung eigener Negativerfahrungen interpretiert werden kann, haben sie zu spät bemerkt. So landeten sie – zu Recht und selbst verschuldet – in der rechtsradikalen Ecke.

Doch schon ab Mitte der achtziger Jahre greifen sie in (selbst-)kritischen Fanzine-Interviews die „rechte Politisierung“ der Skins an, optisch signalisiert die wachsende Haarpracht den bereits innerlich vollzogenen Ausstieg aus der Subkultur, musikalisch verlieren die Punk/Oi!-Anteile zugunsten von Heavy Metal an Bedeutung. Der rechte Nachwuchs ist sogar ihnen inzwischen zu hart geworden, der Einfluß neonazistischer Gruppen zu groß. Andere Bands mit radikaleren Texten machen den Onkelz bereits den Kultstatus als Deutschlands Skinheadband Nr. 1 streitig. Wollen sie ihn halten, müßten sie sich ebenfalls weiter radikalisieren. Dazu sind sie nicht bereit. Längst sind ihnen ihre eigenen „Türken raus“-Parolen von einst peinlich. Auslandsreisen, private Freundschaften mit Andersdenkenden haben ihr Weltbild erweitert. Auch der permanente öffentliche Druck hat ihre Bereitschaft erhöht, sich mit ihrer Wirkung als Musiker auseinanderzusetzen. Die Zeit der Verdrängung ist für die Onkelz vorbei. 1987 geben sie auf ihrem Album „Onkelz wie wir“ mit dem nostalgischen Song „Erinnerungen“ quasi offiziell ihren Ausstieg bekannt: „Man hat sich reichlich gehauen und nie dazugelernt / viel Alkohol, viel Frauen, von der Wirklichkeit entfernt. / Ich erinner mich gern an diese Zeit / eine Zeit, die man nie vergißt / doch ich muß mein Leben leben / meinen Weg alleine gehen / mach's gut, du schöne Zeit, auf Wiedersehen!“

Seitdem – seit nunmehr immerhin sieben Jahren – bemüht sich die Band, der Öffentlichkeit von ihrem Wandel zu berichten. Ihre Konzertbesucher bekommen seit Jahren gleich am Eingang Flugblätter in die Hände gedrückt („Wir sind keine Nazis!“), „Sieg heil!“ende Fans werden hinausgeworfen; sie legten ihren Platten Erklärungen bei, schalteten gar Anzeigen in Heavy-Metal- und Stadtmagazinen („Nie mehr ,Türken raus‘! Die neuen Böhsen Onkelz sind gegen rechten Terror, Rassismus, Gewalt gegen Ausländer, Intoleranz. Nazis, Faschisten, Ausländerhasser, Rassisten — bei uns seid ihr falsch! Die ONKELZ“), traten bei „Rock gegen Rechts“ Fortsetzung

und antirassistischen Festivals auf oder organisierten eigene und lassen sich unermüdlich in dumpfen Talkshows und anderen Interviews befragen. Kaum eine bundesdeutsche Band hat in den letzten Jahren so häufig zum Thema Rassismus und Gewalt Stellung bezogen (und beziehen müssen) wie die Böhsen Onkelz. Dennoch hat ein Großteil der Öffentlichkeit dies überhaupt nicht registriert. Woher kommt dieser gewaltige Autismus gerade der ansonsten immer so kritischen linken Öffentlichkeit? Sicherlich, in harten unübersichtlichen Zeiten wächst der Wunsch nach klaren Feindbildern. Doch das alleine kann es nicht sein. Es kommt wohl noch hinzu, daß die Böhsen Onkelz an einem geliebten Irrglauben rütteln, nämlich Rockmusik sei „links“. Die fanatische Bekämpfung der Böhsen Onkelz dient auch der Katharsis der übrigen Rockkultur.

Vielen Linken fällt es schwer zu akzeptieren, daß die rebellische Attitüde der Rockkultur Ausdruck eines Lebensgefühls ist, auf das Linke kein Monopol haben. Die Böhsen Onkelz passen nicht in das Raster. So widerstanden sie bis heute der Verführung, sich als brave „Linke“ vorführen zu lassen (was sie ja auch nicht sind). So verweigern sie, anders etwa als Boris Becker oder Marius Müller-Westernhagen, die trendy Vermarktung ihrer nicht-„deutschstämmigen“ Lebenspartnerinnen, das Onkelz-T-Shirt mit Peace-Symbol bleibt ebenso ein Ausrutscher wie der eher simpel gestrickte Vorzeige-Song „Deutschland im Herbst“. Mit der Verklemmtheit eines HR Kunze, für den jede neue schrille Brille einen Akt der Emanzipation darstellt, der wichtigtuerischen Weltverbesserermentalität eines Grönemeyer, der talkshowkompatiblen „Streitkultur“ der „singenden Sozialdemokratie“ (Wiglaf Droste) haben sie nichts am Hut. „Weder rechts noch links will Stephan Weidner von den Onkelz sein“, moniert Jörg Heiser im Freitag (und fordert konsequenterweise auch von allen anderen Musikern auf „jeder Platte“ einen „strukturellen“ Bekennnersong). Eine grausame Vision.

Tourdaten: 27.6. Augsburg, 28./29.6. Bremen, 2.7. Frankfurt/M., 3.–11.7. Österreich, 16.7. Bad Windsheim

Der Autor ist freier Journalist und Sozialforscher in Sachen Jugendkultur/Rechtsradikalismus. Publikationen (u.a.): „Skinheads“ (1993 bei Beck), „Rechtsrock“ (erscheint demnächst in einem von Wolfgang Benz herausgegebenen Sammelband bei Fischer)