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: Zum Kanzler, Sache!

„Zur Sache, Kanzler!“, Mi., 22.04 Uhr, Sat.1

Das Dauergrinsen des Bundeskanzlers ist unmißverständlich. Es ist das zufriedene Lächeln des Igels, der sich dem Hasen immer ein Stück voraus weiß.

Ob mittelständische Unternehmer im Studio oder Zechenarbeiter auf dem Marktplatz von Castrop Rauxel – die rechtskonservative Medienshow „Zur Sache, Kanzler“ präsentierte Helmut Kohl die Fragen der Wähler wie Tontauben: zum Abschuß freigegeben. Rang sich ein zugeschalteter Arbeiter mal zu zaghafter Polemik durch, so parierte der massige Jäger aus Oggersheim den Angriff mit polterndem Hallali: Knall bumm – der nächste bitte.

Nur einmal wurde Kohl gefordert. Allzu offensichtlich wollte Sat.1-Mertes dem Kanzler gleich zu Anfang in den Arsch kriechen. Aber daß er den wirtschaftlichen Aufschwung mit der steigenden Beliebtheit des Kanzlers per Grafik unmittelbar in Zusammenhang brachte, war selbst Kohl zuviel. Unmißverständlich machte er klar, daß er hier nicht nur im Zentrum steht, sondern auch Regie führt: Als die Kameraleute auf dem Marktplatz wie üblich einem Fragenden kaltschnäuzig das Wort abschnitten, erboste sich der Kanzler: „Bleiben Sie mal bitte bei dem Herrn zurück. Entweder wir debattieren, oder wir machen eine Schau. Ich mach' keine Schau.“

Also gut, gehen wir zu dem „Herren“ zurück, den Helmut sich ausgeguckt hatte, um zu demonstrieren, daß er tatsächlich an Dialogen interessiert sei. Indem Kohl in der Show den Showeffekt negiert, wird dieser nur um so offenbarer: Der „Herr“ hatte sich nämlich mokiert, daß zuviel Geld in den Osten gepumpt würde. Eine schöne Vorlage für den Kanzler, um sich hier mit zwei Lippenbekenntnissen als Ostfreund zu profilieren. Treffer, der nächste bitte.

Gegenüber dem früheren Outfit, als der Kanzler noch vor Bierseideln, Zinntellern und gestickten Gardinen schwätzte, hat die Sendung nun ein sportliches Flair. Tontaube um Tontaube machte der Kanzler seine Punkte einfach dadurch, daß ihm weitaus die meiste Redezeit eingeräumt wurde. Die Regie dieser nicht zufällig aus der Konserve kommenden Sendung sorgte dafür, daß Sachfragen nicht differenziert gestellt werden konnten. Politik auf dem Niveau eines Schützenfestes: Das Volk, zum Stichwortgeber reduziert, ist an allem selbst schuld. Krach, bumm. Das nächste bitte. Manfred Riepe