Koalitionsvereinbarung in Ungarn

■ Sozialisten und Freidemokraten einigen sich auf eine gemeinsame Regierung / Regierungschef wird Gyula Horn

Budapest (taz) – Die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) und der „Bund Freier Demokraten“ (SZDSZ) haben nach gut dreiwöchigen Verhandlungen eine Koalitionsvereinbarung abgeschlossen. Der Text der Vereinbarung soll heute unterschrieben werden, wie MSZP-Chef Gyula Horn und SZDSZ-Chef Iván Petö am Mittwoch in der Hauptstadt Budapest sagten.

Laut dem Abkommen zwischen beiden Parteien stellen die Sozialisten neun und die Freidemokraten drei der neuen Minister. Die Aufteilung entspricht dem Verhältnis der Fraktionsstärke der beiden Parteien von zwei Dritteln zu einem Drittel. Zwar müssen auf den Kongressen der beiden Parteien am Wochenende die Delegierten noch einmal über die Koalitionsvereinbarung abstimmen, jedoch gilt dies als rein formaler Akt. Die Minister der neuen ungarischen Regierung könnten somit bereits am Anfang der nächsten Woche ihre Ämter antreten.

Regierungschef wird wie erwartet Gyula Horn werden, der in den Wahlen als SZDSZ-Spitzenkandidat angetretene Gábor Kuncze erhält den Posten des Innenministers und stellvertretenden Regierungschefs. Als Finanzminister tritt László Békesi an. Er ist der Autor des liberalen Wirtschaftsprogrammes der MSZP. Um auch die vollständige Durchsetzung der geplanten Wirtschaftsreformen in Ungarn zu sichern, erhält sein Ministerium zugleich die Kompetenzen eines „wirtschaftlichen Schlüsselministeriums“ gegenüber den Regierungsressorts für Industrie und Landwirtschaft sowie anderen Ministerien.

Ansonsten mußten die Freidemokraten gegenüber den Sozialisten einige Zugeständnisse machen. Sie werden das Kultur- sowie das Verkehrs- und Telekommunikationsministerium besetzen; einen vierten Posten, der nach Vorstellungen der Freidemokraten der des Justizministers sein sollte, wollten die Sozialisten ihnen jedoch nicht überlassen.

Eine der wichtigsten Klauseln im Koalitionsabkommen betrifft eine sogenannte „Garantievereinbarung“. Nach dieser verpflichten sich die Sozialisten, die mit 54 Prozent über die absolute Mehrheit im Parlament verfügen, ohne Absprache mit den Freidemokraten keine personellen Veränderungen im Staatsapparat vorzunehmen. Ein formales Vetorecht der Freidemokraten stellt die Klausel allerdings nicht dar.

Als ihre vorrangigen Aufgaben sieht die neue Regierung laut der Vereinbarung an, Wirtschaftsreformen schnell und umfassend weiterzuführen. Vorgesehen ist unter anderem eine Reform des hochverschuldeten Staatshaushaltes, eine schnellere und effektivere Privatisierung der Staatsbetriebe, die Umgestaltung des Sozialsystems sowie die Vorbereitung des Beitrittes zur Europäischen Union (EU). Letzteres gilt auch in der Außenpolitik als vordringliches Ziel. Daneben strebt die ungarische Regierung eine baldige Nato- Mitgliedschaft und die Aussöhnung mit den Nachbarländern, vor allem der Slowakei und Rumänien, an. Das Amt für die ungarischen Minderheiten in Ungarns Nachbarländern wurde allerdings nicht, wie ursprünglich vorgesehen, abgeschafft.

Als eines ihrer ersten Gesetze will die neue Regierung außerdem einen Entwurf verabschieden, der eine Reihe von bisherigen Rechten der Parlamentsabgeordneten beschneidet. So sollen nicht mehr einzelne Abgeordnete, sondern nur noch Parlamentsausschüsse Gesetzentwürfe einbringen dürfen; Interpellationen muß der jeweilige Fraktionschef zunächst genehmigen. Im Hintergrund dieses Gesetzentwurfes steht der Wunsch sowohl der MSZP- als auch der SZDSZ-Führung, die zum Teil nicht unbeträchtliche interne Opposition in beiden Parteien zu schwächen. Keno Verseck