Trauerfälle

■ Fanny Müller - Die 11. Geschichte von Frau K.

etzt, wo der Dauerregen in Hamburg mal ein bißchen aufgehört hat, ist es bei uns im Hinterhof voll gemütlich geworden. Ich hänge überm Balkongeländer, unten im 12 qm-Garten sitzt Frau K. nebst Bettwursthund Trixi auf drei Küchenstühlen – Trixi auf zweien davon – und erzählt von früher. Wer hier alles gewohnt hat und wer mit Tod abgegangen ist. Beispielsweise Frau W., die 14 Tage im 3. Stock gelegen hat, bis Frau K. die Feuerwehr holte. 600 Stück Seife haben sie da gefunden und dreizehn Pelzmäntel. „Die hat ja immer ältere Herren gefleecht, wissen Sie“. 60 oder 70 Twinsets, die die Erben nicht haben wollten und ihr schenkten, hat Frau K. zusammen mit der Seife an die Alsterdorfer Anstalten gegeben: „Ich wär da so durchgefallen, trotzdem ich auch nich dünn bin, aber die W., die hat vielleicht gewogen!“ – Oder die alte B., die vor Frau K. die Wohnung hatte, als Frau K. noch nach vorn raus wohnte, ohne Garten und alles. „Die hat ja nur ihre Schlafkammer behalten und die Wohnstube an Horsti den Transvestiten vermietet. Die ham sich ja immer gekabbelt.“

Jeden Samstag kamen die Tunten mit ihren Pömps an und dann gab's Party. „Denn ham die sich einen Tag wieder inne Wolle gekricht und denn hat er sie gewürcht. Beier Polizei hat er gesacht, da wär einer durchs Klofenster gestiegen.“ Frau K. wuchtet sich hoch, was von Trixi nicht gern gesehen wird; sie fängt an zu schnauben. Ich folge Frau K.s anklagendem Zeigefinger und werfe einen Blick aufs Klofenster. Nein, da kann überhaupt keiner einsteigen. Frau K.: „Noch nich ma Trixi!“ Trixi bellt mißtönend.

Meiner Meinung nach kann Trixi sowieso durch nichts mehr steigen, was kleiner als ein offenes Scheunentor ist, aber das behalte ich lieber für mich, Frau K. ist da empfindlich. Frau B. war zwar schon über 70 gewesen, aber noch gut zugange, die hätte die Gartenwohnung noch Jah-ren-de besetzt halten können. Und wie denn der Sarg rausgetragen wurde und Horsti in Handschellen hinterher, da war Frau K. natürlich froh.