Pfingsten mit Raps und Marmorstaub

■ Momente der Erleuchtung: Das Mecklenburgische Künstlerhaus Schloß Plüschow zeigt Werke von neun internationalen Künstlern zum „Pfingstschema“

Das plötzliche Verstehen, der blitzartige Film im Kopf des Betrachters ist nicht nur ein philosophisch-religiöses Wunschbild, auch aktuelle Kunst möchte so funktionieren. „Ein Netz, das frei von Kreuzungen, Verteilern und Schnittpunkten wäre, an denen sich die Parasiten niederlassen, wo jedes Element mit jedem anderen in Beziehung treten könnte, ohne auf Vermittler angewiesen zu sein“, solch einen Austausch imaginiert der französische Philosoph Michel Serres. Dies Ideal, das ältere Sprache als „Epiphanie“ bezeichnet hätte, nennt er „Pfingstschema“.

Auf diese Vorstellung bezieht sich die diesjährige Sommerausstellung auf Schloß Plüschow. Schon zum dritten Mal hat das mecklenburgische Künstlerhaus internationale Gäste zu situationsbezogenen Arbeiten eingeladen, zwei von den neun sind Hamburger. Gleich im Foyer des Gutshauses wird das Thema zur Form und die Besucher werden zur Gemeinde: Die Mecklenburgerin Miro Zahra hat zahlreiche Gemäldetafeln mit Bogenabschnitten an den Wänden verteilt und erst die suchende Wahrnehmung schließt die Teile zum Kreis.

Wenn der Geist über sie kommt werden die Verirrten sehend. Das ist dem blinden Fotografen Evgen Bavcar aus Paris noch nicht gelungen. Seine geheimnisvoll anmutenden schwarz-weiß Aufnahmen sind für die Sehenden Fotokunst, für ihn aber eine nur durch Beschreibungen erschließbare Vorstellung. Im blinden Spiegel reflektiert Jan van den Langenberg seine privaten Mythologien. Eine ganze Scheune bezieht der Holländer, der sich am komplexesten auf eine Umsetzung der Philosophie Serres einläßt, in seine Installation mit Kaulquappen, Zelten und Waschpulver ein.

In der Legende des Pfingstgeschehens konnten alle die Botschaft in eigenen Worten verstehen, heute aber wäre es nötig, der Sprache der Natur, dem Tier und der Pflanze zu lauschen. An solchen Übersetzungen arbeitet der Hamburger Harald Finke seit langem. Bei seiner Installation mit Korn und Computer gibt der „Zungen-Praklet-Generator“ aber nicht Worte des Getreides, sondern der australischen Aborigines. Mit Umformung von Naturmaterialien arbeiten auch Yufen Quin und Thomas Stordel. Die chinesische Künstlerin hat das Gold der Umgebung, den gelben Raps, eingefangen und auf Wäscheständern ausgebreitet, der Hamburger im Haus Maschinchen verteilt, die kaum merkbar feinste Wolken aus Marmorstaub aufwirbeln und das Sonnenlicht brechen.

Im Keller und unter dem Dach wird es dann geradezu magisch. Auf dem - bis auf zwei große Kugeln aus Federn - leeren Boden klingt ferner Lerchengesang durch die Dachziegel, doch plötzlich durchbricht lautstark das erschreckende Geräusch auffahrender Rebhühner den Raum. Man könnte denken, die akustikbestückten Kugeln von Josefine Güntschel leben. Im düsteren Keller hat sich ein Raubvogel verborgen: Hier sorgt die Lichtschranke der Installation von Henrik Silbermann für überraschende Augenblicke. Daneben im Kohlenkeller hat Reinhard Zabka „Monas Fußbad“ aufgebaut. Im blauen Licht der Romantik wird unter einem Schrein mit dem goldenen Herzen das Wasser zum Quell des Lebens: ein Bühnenbild zwischen Kitsch und heiligem Gral. Fazit: Ein Ausflug sei empfohlen. Hajo Schiff

Abschlußfest mit Dia-Vortrag des Direktors der Hamburger Denkmalpflege Manfred Fischer: „Herrenhäuser und Schlösser in Mecklenburg-Vorpommern“, So 3. Juli, 15 Uhr, um 17 Uhr Konzert des Collegium Musicum Schwerin; Anfahrt nach Schloß Plüschow über Lübeck, B 105 Richtung Wismar, ca. vier Km hinter Grevesmühlen, rechts den Schildern nach. Ausstellung: Di-Fr 11-17 Uhr, Sa & So 11-18, bis 3. Juli.