Kein Verständnis für Silberlocke

■ Ex-Santa Fu-Chef Sarodnik zu 11 Monaten Knast verurteilt / Er hatte fünf Vergewaltigungen nicht angezeigt Von Kai von Appen

Ex Santa-Fu Chef Wolfgang Sarodnik ist gestern in zweiter Instanz wegen Strafvereitelung in drei Fällen zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Er hatte fünf Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen weiblicher Bediensteter im Knast nicht angezeigt. Das Landgericht Hamburg blieb damit nur einen Monat unter dem Urteilsspruch der ersten Instanz. Richter Augner: „Die Entscheidung, dem Wunsch der Frauen nachzukommen, hat ihn nicht von der Rechtspflicht der Anzeige entbunden.“

Der Sachverhalt ist weitgehend unstrittig. Die Serie der Knast-Vergewaltigungen des Sexualstraftäters Alfred Banz, der wegen Vergewaltigungen und Frauenmord eine 15jährige Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung in Santa Fu verbüßte, begann 1980. Kurz nach Beginn der Amtszeit von Sarodnik - auch Häuptling Silberlocke genannt - kam es zu weiteren Sexualstraftaten. Banz lockte seine Opfer entweder in die Zelle oder die Knastbibliothek und fiel über sie her.

Die Frauen meldeten zwar Sarodnik die Überfälle, auf ihren ausdrücklichen Wunsch wurden die Vergewaltigungen oder sexuellen Nötigungen jedoch von ihm nicht per Strafanzeige publik gemacht. Sarodnik beschränkte sich darauf, ein „Warnsystem“ einzurichten. Danach wurde jede neue Knastmitarbeiterin angewiesen, geschlossene Räume nicht alleine mit einem Strafgefangenen aufzusuchen. Konkret vor Banz wurden die Mitarbeiterinnen allerdings nicht gewarnt.

Im Prinzip klappte das Warnsystem. Mit einer Ausnahme: Im November 1984 gelang es Banz, eine Aushilfsmitarbeiterin in die Bücherei zu locken, um sie zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Sie konnte sich aber widersetzen. Auch sie meldete Sarodnik den Vorfall, verlangte aber ebenfalls Diskretion.

Streitpunkt des Verfahrens war daher die Frage, ob Sarodnik als Knastchef zur Meldung verpflichtet war oder ob die Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiterinnen Vorrang hatte. Richter Augner: „Herr Sarodnik war als Obhutsgarant zur Strafverfolgung verpflichtet.“ Nach Auffassung Augners habe der Anstaltsleiter „als Vollzugsbeamter an der Verfolgung von Straftaten“ mitzuwirken. Augner: „Er hatte eine Garantenpflicht zur Strafverfolgung.“

Und das bestreitet Sarodnik. Rückendeckung bekommt er vom damaligen Leiter des Strafvollzugsamtes und jetzigen Generalstaatsanwalt Arno Weinert. Augner: „Herr Weinert hatte die gleiche Rechtsauffassung und stützt sich dabei auf eine verlorengegangene Entscheidung des Oberlandesgerichts aus den 60er Jahren.“ Weinerts Unterstützung führte zumindest dazu, daß das Strafmaß gesenkt wurde. Bei 12 Monaten Knast hätte Sarodnik aus dem Dienst entfernt werden müssen. Augner: „Daß ein Angestellter wegen einer irrigen Rechtsauffassung aus dem Dienst entfernt wird, obwohl sein Vorgesetzter die gleiche Rechtsauffassung teilt, ist nicht vertretbar.“

Sarodnik kündigte Revision vor dem Oberlandesgericht an, um den Disput endgültig zu klären. Vielleicht findet sich bis dahin das verlorengegangene Urteil wieder an.