Der Ball schweißt Männer zu Paaren

Berlin (taz) – Der Ball schweißt Männer zu Paaren. Diese Beziehungen halten in der Regel nicht länger als 90 Minuten, doch in diesen 90 Minuten sind sie eng, wenngleich von unterschiedlicher Qualität – je nach Spielanlage. So kennen wir Fußballer, die auf ständig wechselnde Beziehungen spezialisiert sind: Raumdecker! Die nehmen, wer in die ihnen zugewiesenen Gefilde kommt. Doch ganz ohne feste Beziehung geht's auch im modernen Fußball nicht. Spieler dieses Typs werden Manndecker genannt und haben allesamt eine Vorliebe für Sturmtanks, sind aber in der Wahl ihrer Partner nicht frei. „Jürgen, du nimmst den Salinas.“ Und was macht Jürgen? Er nimmt, auch wenn ihm jeder andere lieber wäre, den Salinas. Wahrt zunächst noch etwas Distanz, doch tritt ihm, sobald das Spiel läuft, nahe, rennt die Außenlinie entlang und quer übers Feld, mit und ohne Ball. Doch immer mit Salinas.

So sieht es der Betrachter von der Tribüne aus. Doch wie sieht es der Betroffene? Von Willi „Ente“ Lippens, der noch zu einer Zeit Fußball spielte, in der man ganz auf feste Beziehungen setzte, weiß man, daß er, vor allem zu Beginn des Spiels, heftig auf den Partner eingeredet hat, denn: „In den ersten zehn Minuten entscheidet es sich.“ Was? Wer Herr im Paar ist. Dieses Gerangel um die Dominanz in der Beziehung wird nicht nur mit Beinarbeit entschieden, da wird mit den Händen gestoßen und mit den Armen gedrückt, und daß Herr Lippens sich Herrn Konopka mit dem Hinterteil vom Ball gehalten hat, das haben alle mitbekommen, auch, daß er, fast vor dem Leder hockend, seinem Widerpart den Kopf zudrehte.

Doch wer weiß schon, daß er ihm damals ein „Hasso faß!“ zugerufen und so die Frage der Dominanz in dieser Begegnung entschieden hat? Frieder Kern

PS: Derlei innigliche Beziehungskisten gibt es heute noch viele. Selbst im prüden US-Amerika kann die Pärchenbildung nicht mehr verhindert werden – trotz aller Systemtheoretiker, die eher dem Fetisch als dem Partner huldigen („hin zur ballorientierten Raumdeckung“). Im Gegenteil. Die fußballerotische Unzertrennlichkeit wird durch das Auftauchen europäischer Gäste erst so richtig ins Land getragen: Unserem Berti der alten Schule sei Dank. Standhaft wirft er allen Systemkritikern einen heißen Appell zum gemeinsamen Outing entgegen: „Wir müssen verstärkt Manndeckung spielen!“ Jawoll! Legalize it! Denn haben sich zweie gefunden, gehen sie freiwillig kaum auseinander. Einzig dann, wenn der Schwanentod in Gestalt einer Bahre das jungvermählte Glück jäh auseinanderreißt.

Unsere Vorzeige-Paarläufer (Fotos: Reuter): 1. Lorenzo Staelens (Belgien) springt auf Mustafa El Madaoui (Marokko), 2. Die Unzertrennlichen: Nigerias Rashidi Yekini/Trifon Ivanov (Bulgarien), 3. Die verhängsnisvolle Affäre: Georges Grun (Belgien)/Mohamed Chaouch (Marokko)