■ Ökolumne
: Grüne Ameisen Von Alois Berger

Irgendwo im Ameisenbau der Europäischen Kommission in Brüssel, umgeben von fleißigen grauen Tierchen, die alle für den wirtschaftlichen Fortschritt Europas rackern, kauern auch ein paar grüne Exemplare. Sie hocken in ihren Gängen und hecken ganz offen Pläne für einen Umbau der zwölf europäischen Ameisengesellschaften aus. Keine großen Pläne, nein. Aber bei den wachstumsgläubigen Ameisen stehen sie dennoch im Verdacht, an den Grundfesten des Ameisenfortschritts zu rütteln. Jedenfalls hat man ihnen einen Pressesprecher vor die Nase gesetzt, der ein Presseverhinderungssprecher ist und aufpaßt, daß ihre subversiven Ideen draußen keinen Einfluß bekommen.

Die Ideen sind dabei weder neu noch besonders originell. Die grünen Ameisen wollen das Steuersystem ändern und fordern, daß die Arbeitskraft billiger und die Energie teurer wird, damit für unseren Wohlstand mehr Arbeitskraft und weniger Energie eingesetzt wird. Das übersteigt die Vorstellungskraft von Normalo-Ameisen.

Die grünen Tierchen haben sogar Gesinnungsfreunde draußen in Europa, einige von ihnen sitzen auch in den Regierungen der zwölf Ameisenhaufen. Es muß aber dort eine große Graumacherkraft geben, so groß, daß nicht nur alle Regierungen immer sehr grau aussehen, sondern selbst die grünen Ameisenfreunde sofort grau werden, wenn sie zu Hause ankommen. Am schönsten kann man das an der Töpferameise studieren, die immer leuchtend grün wird, wenn sie in die Nähe des Brüsseler Haufens kommt. Sobald sie aber ins Umfeld des schwarzen Riesen zurückkehrt, geht ihr grünes Licht wieder aus. Für die Ökosteuer-Idee der grünen Ameisen glüht unsere Töpferameise sogar besonders hell – in Brüssel. Zu Hause fehlt ihr die Energie, Lichtpunkte zu setzen in der grauen Regierungsmasse. Die Ökosteuer müsse von Brüssel aus strahlen, pflegt sie ihre Bonn-Brüsseler Blinksignale zu rechtfertigen, sonst hätte unser Ameisenhaufen gegenüber den anderen elf einen Wettbewerbsnachteil.

Noch immer gehört es zum Einmaleins der grauen Ameisen, daß eine Ökosteuer die Wirtschaft bremst, und auch in den Ameisenregierungen hält man sich hartnäckig an diese graue Theorie. Dabei haben schlaue Forscher längst ausgerechnet, daß ein Ameisenhaufen nicht nur weniger Dreck macht, wenn die Energie höher und die Arbeit niedriger besteuert wird, sondern auch noch richtig aufblühen kann. Eine clever eingesetzte Ökosteuer führt nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft zu mehr Beschäftigung und zu einer Modernisierung der gesamten Wirtschaft. Die Ökosteuer würde sogar mithelfen, die Bauern in ihrem Drang zu bremsen, Getreide, Obst und Gemüse vor der Ernte zu vergiften. Auf finanzielle Signale reagieren unsere Bauern.

Doch die überwältigende Mehrheit der Ameisen fürchtet grüne Theorien. Sie glaubt an den Fortschritt und meint damit: weitermachen wie bisher, nur schneller. Die grünen Umdenker sind ziemlich allein, und deshalb ist in Sachen Ökosteuer aus Brüssel nicht viel zu erwarten. Vielleicht kann ja mal einer von den Wirtschaftsforschern beim Töpfer anrufen und ihm vorlesen, daß die Ökosteuer kein Wettbewerbshindernis ist und daß man einen Ameisenhaufen auch umorganisieren kann, wenn die Nachbarhaufen lieber den alten Schmutzstiefel weitermachen wollen. Um so besser, wenn sie immer noch am Glauben festhalten, daß die Ökosteuer Wettbewerbsnachteile bringt: dann machen sie wenigstens keine Schwierigkeiten, wenn ein Haufen vorprescht. Wenn sie dann sehen, daß ein modernisierter Ameisenhaufen mehr Vor- als Nachteile hat, werden sie sicher nachziehen.

Und irgendwann werden auch die Ober-Ameisen mit dem Umdenken anfangen. Ameisen sind soziale Wesen, die in einem Staat mit strenger Kastengliederung leben, wie wir alle aus dem dtv-Taschenlexikon wissen. Wenn erst mal die Oberen ihre Meinung ändern, schaltet rasch der ganze Laden um. Weil die meisten Ameisen fast nie aus ihrem dunklen Bau herauskommen, sind nur bei denen ganz oben die Augen gut entwickelt. Die unten rackern, sehen fast nichts. Auf der anderen Seite kommen bei den meisten Stämmen – laut dtv – große Köpfe tatsächlich nur bei den Soldaten- und Arbeitertieren vor. Deshalb dauert das Umdenken ganz oben eben länger.