Die Höllenpförtnerinnen

■ Leibhaftig im Lagerhaus:„Cobra“, Chinas umschwärmteste Frauenrockband, präsentierte ihr „anstößiges, dekadentes und verkommenes Produkt“

“Die meisten Leute in China mögen uns und unsere Musik überhaupt nicht !“ sagt die Keyboarderin Yu Lin mit der trotzigen Genugtuung einer Rock-Rebellin. Diese respektlose Attitüde, dieser für unsere Augen manchmal rührende Versuch, mit Gel im Haar und Sonnenbrille dem westlichen Rockimage nachzueifern und cool zu sein, muß den Herrschenden in China ein Dorn im Auge sein. So machen sie es den fünf Frauen von „Cobra“ und den etwa 20 weiteren Rockbands Chinas möglichst schwer, ihr „anstößiges, dekadentes und verkommenes Produkt westlich-frivoler Lebensweise“ bei Liveauftritten vorzustellen, oder in Plattenstudios aufzunehmen. Seit „Cobra“ etwa im letzen Jahr von 18.000 Zuhörern in einem Pekinger Stadium begeistert gefeiert wurde, ist es für sie unmöglich, in der Hauptstadt aufzuteten. In anderen Städten in der fernen Provinz dürfen sie jetzt ein bis zweimal im Monat spielen. So bleibt ihnen derzeit der Westen: Auf ihrer Europatournee machte die Cobras jetzt in Bremen Station.

Ob die Musiker für Auftritte im Ausland ausreisen dürfen, ist etwa jedesmal wieder unvorhersehbar. Ebenso unvorhersehbar ist, was sie überhaupt singen dürfeb: Nachdem ihre Texte von der Regierung genehmigt wurden, konnten sie vor kurzem auch ihrer erste Platte in China produzieren, aber auch bei solch kleinen Verbesserungen braucht man als chinesische Rockmusikerin viel Mut, Kraft und Geduld. „Die Gründe für eine Genehmigung oder Ablehnung erfahren wir nie“ sagt Yu Jin, und die Organisatorin Heidi Endruweit erzählt von geschickten Bestechungen und einem Auftritt der Band ohne Gagen bei einer Feier der Volkpolizei.

Am Freitagabend im Lagerhaus konnte man sich bei dem Konzert der fünf Musikerinnen kaum vorstellen, wie explosiv ihr Mainstream-Rock in chinesischen Ohren klingen muß. Vor einem vorwiegend weiblichen Publikum klangen sie handwerklich solide, meist eher hart und überhaupt nicht so nett und harmlos wie die meisten westlichen Frauenbands. Zu chinesischen Texten („über gesellschaftliche Probleme und weibliche Gefühle, die Männer oft nicht verstehen“, sagt Yu jin) spielten sie eine gitarrenlastige Mischung aus klassischischem Rock, Rhythm n' Blues und ein wenig Funk. Keine Plagiate, aber die Vorbilder wie U 2 oder Police klangen hin und wieder recht deutlich durch. Die Schlagzeugerin und Sängerin Wang Xiaofang entwickelte noch am ehesten einen eigenen Sound, aber spannender als die Musik selber war es im Grunde, daß sie überhaupt aus einem kleinen, verschworenen Zirkel in Peking entstanden ist.

Auf die Frage, ob es ihnen als Frauen nicht noch schwerer fallen würde, sich mit ihrer Musik durchzusetzen, winken die Musikkerinnen bescheiden ab: Fast jeder von ihren Freunden und Bekannten macht Musik, und da wäre es ganz einfach und natürlich für sie gewesen, die Band zu gründen. Aber mit dem Erfolg kam auch der Neid. Inzwischen gibt es viel Druck von Kollegen, die sich beklagen, daß sie als Frauen sich besser international verkaufen können. Aber ihr Erfolg ist relativ. Auf dieser sechswöchigen Konzerttournee werden wohl mehr Deutsche „Cobra“ live auf der Bühne sehen, als Chinesen im ganzen Rest des Jahres.

Die Augen von Yu Jin blitzen vergnügt auf als erzählt wurde, daß ein verzweifelter Clubbesitzer den Cobras vorwarf: „You open the gates to hell !“. Eines der schönsten Komplimente für Rocker überall auf der Welt. Willy Taub