Sanssouci: Nachschlag
■ Kleine kulturpolitische Sauna im Roten Salon
Wir waren zehn: zehn interessiert lauschende Zuhörer und fünf Diskutanten auf dem roten Sofa im Roten Salon der Volksbühne. Alle schweißgebadet. Es war heiß. Bündnis 90/Grüne wollten nicht als weltfremde Fußballmuffel gelten, die zeitgleich mit dem „Spiel des Tages“ über Kulturpolitik diskutieren. Also war schon Samstag um 16 Uhr „City hui – Bezirke pfui? Bezirkliche Kulturangebote im Überlebenskampf“ das Thema gewesen. Das Ausfechten solcher Kämpfe bei dieser Witterung aber schien ein gar übermenschliches Unterfangen. Doch man riß sich zusammen. Andreas Walter, Geschäftsführer der Kulturfabrik Lehrter Straße, durfte gleich zu Beginn seine Überlebensvita vorstellen: drei Jahre illegales Kulturprojekt im besetzten Haus, Ignoranz der zuständigen Politiker, und, nachdem man nun endlich anerkannt werden soll, erhebliche finanzielle Sorgen wegen der damit einhergehenden Mietforderungen des Bezirks.
Fünf Minuten konnte sich das Paradeprojekt aus dem Bereich „Kultur von unten“ vorstellen, dann behielten die Kulturpolitiker das Wort: Moderator Albert Eckert, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne, fragte die Kunstamtsleiterin von Neukölln, Dorothea Kolland, wie denn in ihrem Bezirk ein Projekt wie die Kulturfabrik aufgenommen worden wäre. „Also das ist ja wirklich ein völlig bescheuerte Frage. So eine bescheuerte Frage hat mir wirklich noch nie jemand gestellt“, empörte sich die ebenfalls von der Hitze gezeichnete Dame. Sie ließ es sich dann jedoch nicht nehmen, eine geschlagene Viertelstunde auf die bescheuerte Frage zu antworten. „Ich würde das erst anschauen, prüfen und dann vielleicht fördern...“
Die Diskussion, an der außerdem Dirk Jordan (Volksbildungsstadtrat Kreuzberg) und Thomas Flierl (Kulturamtsleiter Prenzlauer Berg) teilnahmen, kreiste vor allem um die Situation kleiner Kulturprojekte, da deren Förderung ab dem nächsten Haushaltsplan im Rahmen des Globalsummenhaushalts in den Händen der Bezirke liegen wird. Diese sind aber nicht verpflichtet, einen festen Prozentsatz ihrer Mittel kulturellen Zwecken zur Verfügung zu stellen. Und bei dem geringen Sachverstand auf Bezirksebene (Dorothea Kolland: „Wenn Sie auch nur einmal eine Bezirksverordnetenversammlung besucht haben, wissen Sie, wovon ich rede“) müsse man mit Kürzungen rechnen. Neukölln habe noch ein ganz anderes Problem: In letzter Zeit sind monatlich bis zu 500 Sozialhilfeempfänger neu registriert worden, entsprechend brauche man mehr Personal, daß in Zukunft sicher im Kulturbereich eingespart wird.
Und so ging die allgemeine Forderung nach über zwei verschwitzten Stunden dahin, daß unbedingt ein Gesetz verabschiedet werden muß, daß die Bezirke entweder zu einer festgelegten „kulturellen Grundversorgung“ verpflichtet oder einen Prozentsatz festlegt, der für die Kultur im Bezirk verwendet werden muß. Es war der Hochsommer, der diese Übereinstimmung zuließ. Volker Weidermann
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