Sterben für die Pläne des Diktators

Ein schwerer Unfall in einer rumänischen Fabrik für schweres Wasser kostete vier Menschenleben / Das erste Atomkraftwerk des Landes soll noch in diesem Jahr ans Netz gehen  ■ Von Keno Verseck

Budapest (taz) – Die Serie von Unfällen in der rumänischen Atomindustrie reißt nicht ab – noch bevor das erste Atomkraftwerk des Landes überhaupt in Betrieb gegangen ist. Wie am Wochenende in Bukarest bekannt wurde, kam es am Donnerstag nacht zu einem Unfall im Kombinat Romag nahe der südwestrumänischen Stadt Dobreta Turnu Severin. Dabei traten große Mengen Schwefelwasserstoff aus. Vier Menschen starben an Vergiftungen, zwölf weitere wurden lebensgefährlich verletzt, zwei von ihnen liegen im Koma.

Es ist der vierte schwere Unfall innerhalb von drei Jahren in dem Kombinat, das schweres Wasser für das Atomkraftwerk im südostrumänischen Cernavoda produziert. Dort soll der erste von insgesamt fünf 700-Megawatt-Blöcken nach fünfzehnjähriger Bauzeit noch in diesem Jahr ans Netz gehen.

Nach Auffassung einer staatlichen Untersuchungskommission hatte ein Stromausfall den Unfall im Romag-Kombinat ausgelöst, nachdem eine Transformatorenstation explodiert war. Schwefelwasserstoff, der in Becken zusammen mit normalem Wasser für den Ionenaustausch gespeichert ist, trat ins Freie. Im Zuge des Unfalls versagte auch das Warnsystem des Kombinats – chemischer Alarm für die rund zweitausend Angestellten wurde nicht ausgelöst.

Das 1981 geplante und 1988 in Betrieb genommene Kombinat Romag macht schon lange negative Schlagzeilen. Anwohner klagen seit Jahren über einen schlechten Geruch in Umfeld von mehreren Kilometern; die Schwefelwasserstoffkonzentration in der Luft liegt regelmäßig über den Grenzwerten. Obwohl das rumänische Umweltministerium dem Kombinat die Betriebsgenehmigung wegen gravierender Sicherheitsmängel und Gefahren für die Umwelt entzogen hat, arbeitet das Unternehmen weiter.

Die Produktion von schwerem Wasser wurde im Romag-Kombinat 1990 vorübergehend eingestellt, nachdem der Weiterbau des Atomkraftwerkes Cernavoda unsicher geworden war. Mittlerweile hat die rumänische Regierung Ceaușescus Autarkiepläne auch im Bereich der Energieerzeugung und Atomwirtschaft wieder neu aufgelegt. Trotz einer nicht gesicherten Finanzierung wird das Atomkraftwerk mit dem kanadischen Reaktortyp Candu-6 in Zusammenarbeit mit Kanada weitergebaut. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) hat nach Kontrollen in Cernavoda in der Vergangenheit Dutzende von Mißständen kritisiert, die von schlechtem Management, fehlendem bzw. unqualifiziertem Personal bis hin zu schlecht durchgeführten Bauarbeiten reichen. Sprecher des staatlichen rumänischen Energiemonopolisten Renel, dem das AKW Cernavoda und das Kombinat Romag unterstehen, mußten im letzten Jahr auch zugeben, daß die Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle mangelhaft sind, nachdem Wachpersonal und Bauarbeiter gemeinsam große Mengen Baumaterialien gestohlen hatten.

Erst Anfang Juli letzten Jahres war es zu einem Brand im Versuchsreaktor des Institutes für Atomforschung in der südrumänischen Stadt Pitesti gekommen. Der Reakor mußte mehrere Monate lang stillgelegt werden.