Mädchenquote, das wär was

■ 10 Jahre Mädchenarbeit: Die Freizis sind nicht mehr fest in Jungshand / Eine Tagung

Ins Huchtinger Freizi kamen Mädchen lange gar nicht erst rein, eine Clique ausländischer Jungs hielt den Daumen drauf. Bis dann ein Raum ausschließlich für Mädchen reserviert wurde und, zur Beruhigung der Situation, einer ausschließlich für Jungs. Heute sind die Mädels so stark, daß sie problemlos die Jungs von der Tischtennisplatte vertreiben können, berichtete gestern eine Mitarbeiterin auf der Tagung „10 Jahre Mädchenarbeit“ in der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus.

Nein, so ganz fest in Jungenshand sind die Bremer Jugendfreizeitheime nicht mehr: In etwa 15 von 19 kommunalen Freizis gibt es mittlerweile eigene Mädchenräume oder Mädchentage. Die meisten Mädchenangebote machen die Freizis in der Neustadt und in Tenever. Doch fünf Freizis haben noch immer weder einen Mädchenraum, noch einen Mädchentag eingeführt. Dort sind dann auch nur maximal ein Viertel der BesucherInnen Mädchen. In Farge gar gibt es keine einzige weibliche Mitarbeiterin.

Aber immerhin kann Bremen mit einem „Mädchenkulturhaus“ und dem feministischen Mädchenprojekt „Gewitterziegen“ aufwarten. „Jaja“, sagen dazu die Mitarbeiterinnen dieser autonomen Projekte, „von oben gibt es viel warme Worte, man schmückt sich geradezu mit uns, aber Stellen werden trotzdem gestrichen beziehungsweise Stellenzusagen nicht eingehalten“. Noch immer, so das Resümee des ersten Tagungstages, stehen die autonomen Mädchenprojekte auf der Kippe, noch immer ist Mädchenarbeit in den Konzepten der meisten Jugendfreizeitheime nicht als Pflichtaufgabe verankert, noch immer gibt es Mädchenarbeit meist nur wegen des zusätzlichen Engagements einzelner Mitarbeiterinnen.

Leuchtende Ausnahme ist das Neustädter Freizi: Dort stehen Mädchen die Hälfte des Geldes und der Arbeitskraft zu. Die anderen Einrichtungen wären froh, wenn sie wenigstens ein Drittel der Ressourcen für die Mädchen reservieren könnten.

Diese Drittel-Quote wird nun im ersten Bremer Mädchenförderplan gefordert. Der zwischen Jugendressort und Mädchenprojekten abgestimmte Plan wird bald der Bürgerschaft vorgelegt. Allerdings ist er mit „Empfehlungen“ überschrieben und nicht mit „Richtlinien“ – verbindlich wird er also nicht.

Auch wenn sich die Politik kaum bewegt habe und Mädchenarbeit nach wie vor meist nur als „Luxus“ betrachte, habe sich die Mädchenarbeit doch inhaltlich immens weiterentwickelt, so ein Fazit. Zum Beispiel gelten Mädchenräume nicht mehr als das Non-plus-Ultra. Attraktiver sind Mädchentage, an denen die Mädchen nicht mit einem Eckchen abgespeist werden, sondern sich ungestört im ganzen Freizi ausbreiten können. Außerdem werden heute neben emanzipatorischen Angeboten wie WenDo auf ausdrücklichen Wunsch auch wieder Nähen und Töpfern angeboten. Jene Klassiker also, die einst vor allem der Disziplinierung der Mädchen dienten und dem Erstellen nützlicher Dinge für den Haushalt. Heute jedoch nähen die Mädchen freche Sachen für sich selbst, machen Modenschauen, töpfern weniger Vasen als vielmehr Schmuck und Duftlämpchen. Oberstes Ziel ist schließlich, daß die Mädchen herausfinden, wozu sie Lust haben.

Man greift allerdings auch diffuse Bedürfnisse auf und macht weitergehende Angebote: Als Antwort auf das Bewegungsbedürfnis der Mädchen wurde in der Neustadt ein Mädchenzirkus gegründet. Ohne Leistungsdruck können Mädchen dort Einradfahren lernen oder Tellerdrehen und dafür in öffentlichen Präsentationen Bewunderung einheimsen.

Erkannt hat man auch einen großen Beratungsbedarf der Mädchen, ob es um Sexualität geht oder Eßstörungen. Bundesweit sprießen Mädchengesundheitszentren aus dem Boden – für die sich allerdings erst recht schwer Mittel loseisen lassen. Nun ja, Mädchen randalieren ja nicht, ein Handlungsbedarf scheint da längst nicht so gegeben wie bei den Jungs – so die allgemeine Einschätzung. Dabei kostet es langfristig sehr viel Geld, Mädchen zu vernachlässigen, meint dagegen die Mädchen-Expertin Claudia Wallner von der zentralstelle zur Förderung der Mädchenarbeit in Münster. Mädchen randalieren zwar nicht, aber sie werden krank – ihre Art, Probleme zu verarbeiten. „Wie viele fallen später aus, hängen dauerhaft an der Sozialhilfe oder geben ihre krankmachende Bewältigungsmechanismen an ihre Kinder weiter!“ cis