Rauchzeichen Von Mathias Bröckers

Da haben wir ja noch mal Glück gehabt: Zu nächtlicher Stunde hat der Bundestag Ende letzter Woche ein neues Gesetz zum Nichtraucherschutz erst mal ad acta gelegt. Nach dem Willen der Abgeordneten, die die neue Anti-Rauch-Verordnung einbrachten, sollte künftig unter anderem das Rauchen in Gaststätten mit mehr als 50 Plätzen grundsätzlich untersagt werden – doch gegen die parteiübergreifende große Raucher-Koalition hatte das Ansinnen keine Chance. Allzulange freilich werden wir Freunde des blauen Dunsts uns nicht mehr in Sicherheit wiegen können – die Nichtraucher-Lobby wird ständig stärker, und wie noch jede Modewelle aus den USA nach Europa schwappte, werden rigide Anti-Rauch-Gesetze bald auch bei uns Fuß fassen. Daß ausgerechnet die Vereinigten Staaten zur Hochburg im Kampf gegen das Rauchen wurden, kommt nicht von ungefähr – der Glimmstengel spielt den klassischen Sündenbock, an dem das Land seine durch und durch ungesunden Ernährungs- und Genußgewohnheiten abreagiert. Wer in Kalifornien mit einem Kleinkind spazieren geht und sich dabei eine Fluppe ansteckt, läuft Gefahr, wegen Kindesmißhandlung und Vergiftung Minderjähriger angezeigt und bestraft zu werden – den Kleinen allerdings tagein tagaus vor der Glotze Burger, Coke und Sweets bis zum Anschlag reinzuschieben ist völlig legal und allgemein üblich. Nach einer Studie der UN konsumieren die Vereinigten Staaten, die fünf Prozent der Weltbevölkerung stellen, über 50 Prozent aller illegalen Drogen, Tendenz steigend – Tabak-User aber wurden nirgends so erfolgreich dezimiert wie in Amerika, abgesehen von Nichtraucher-Diktaturen wie Singapur, wo öffentlichen Rauchern demnächst wahrscheinlich die rechte Hand abgehackt wird.

„Warum steht eigentlich auf der Zigarettenschachtel: ,Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit‘, aber auf der Bierflasche steht nichts“, fragte neulich mein Sohn, der sich weigert, mir am Kiosk Zigaretten zu holen („Ich hol' dir alles, aber deine Drogen kannst du dir selbst besorgen!“). Tja, warum ist das so? Es würde einfach ziemlich merkwürdig aussehen, wenn einem die Spiele der Fußball-WM mit dem Hinweis „Vorsicht, Alkohol gefährdet Ihre Gesundheit“ präsentiert würden, direkt nach dem „Keine Macht den Drogen“-Spot. Auch die Bier- und Schnapsbandenwerbung würde durch eine solche Hinweispflicht völlig verunstaltet. Deshalb müssen wir es halt in Kauf nehmen, daß unsere fußballbegeisterten Kleinen außer auf Mannschaftsgeist und Doppelpaßspiel eben auch schon auf den Suff und eine bestimmte Biermarke eingeschworen werden. Wer aber während der Übertragung in seinem Wohnzimmer im Beisein von Kindern eine Zigarette raucht, kann in Kalifornien schon jetzt bestraft werden. Sich nichtrauchend eine halbe Kiste Bier reinzuziehen ist dagegen völlig okay, selbst wenn die Folgen des Passiv-Rauchens lächerlich sind verglichen mit den aggressiven Folgeerscheinungen des Suffs. Die acht Milliarden Mark Alkoholsteuer, die der Staat einstreicht, reichen bei weitem nicht, um die direkten und indirekten Schäden des Alkoholismus auch nur ansatzweise zu reparieren. Und doch sind rigide Gesetze gegen den Alkohol aus Bonn kaum zu erwarten – die parteiübergreifende Fraktion der Trinker dort ist noch stärker als die Raucherfront.