„Keiner will noch einen Dollar behalten“

Auch wenn die US-Wirtschaft von außen gesund aussieht, gibt es genug Gründe für den Dollarverfall  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Was ist nur mit dem US-Dollar los? Er fällt und fällt – gestern in Frankfurt auf weniger als 1,58 Mark und in Japan gar unter die magische Schwelle von einem Cent pro Yen. Heftige Interventionen von 17 Zentralbanken, die durch Dollarkäufe in Höhe von mindestens drei Milliarden US-Dollar den Kurs stützen sollten, blieben wirkungslos.

Und dabei geht es doch mit der US-Wirtschaft seit 18 Monaten ununterbrochen aufwärts. Der US- Finanzminister Lloyd Bentsen redete den Anlegern jedoch vergebens ins Gewissen. Die USA befänden sich „mitten im ersten, durch Investitionen getragenen Aufschwung seit 30 Jahren auf einer niedrigen Inflationsbasis“, argumentierte Bentsen.

Doch die übliche Regel, wonach mit einer starken Volkswirtschaft eine starke Währung einhergeht und umgekehrt, scheint außer Kraft gesetzt. Denn in Japan und der Bundesrepublik, wo nach wie vor die Rezession wütet und Anzeichen eines Aufschwungs allenfalls minimal sind, erstarken die Währungen, während der Dollar verfällt.

Und dennoch, „ich glaube nicht, daß gegenwärtig irgend jemand einen Dollar behalten möchte“, beschrieb ein Devisenhändler in New York die Stimmung in der Finanzwelt. Die meisten Marktanalysten erwarteten sogar noch ein weiteres Abrutschen der US-Währung.

Mit guten Gründen. Zum einen ist da das riesige Loch in der Handelsbilanz der USA. Der Anstieg des monatlichen Defizits auf zwölf Milliarden Dollar für April löste den aktuellen Kursrutsch des Dollars aus. Denn das Defizit der USA bedeutet, daß die Welt mit Dollars überschwemmt ist. Nach dem einfachen Gesetz von Angebot und Nachfrage senkt dies den Preis der US-Währung.

Zudem flacht die Konjunktur in den USA allmählich ab, während es in Europa, vor allem in der Bundesrepublik langsam aufwärts geht. Investoren beginnen also, sich umzuorientieren.

Sogar der Sturz der Regierung in Japan trägt paradoxerweise zur Stärkung des Yen und somit zur Schwächung des Dollars bei. Denn durch den Rücktritt Hatas können die Deregulierung der japanischen Wirtschaft und vor allem die Handelsgespräche mit den USA nicht stattfinden. Damit wird es bei Japans chronisch hohem Handelsüberschuß bleiben.

Die bisherigen Strategien gegen den Dollarverfall – die Beschwörungsversuche der US-Regierung, daß die wirtschaftlichen Daten einen Verfall des Dollars nicht rechtfertigen, und die Stützungskäufe – sie blieben wirkungslos.

In dieser Situation müßte der Chef der amerikanischen Notenbank, Alan Greenspan, die Zinsen deutlich erhöhen, während die Zinsen in der Bundesrepublik gesenkt werden müßten, damit überhaupt noch jemand Interesse an einer Investition in den Dollar hat.

Doch genau diesen Schritt wird Greenspan scheuen. Schon viermal hat er die Zinsen leicht angehoben, von drei auf mittlerweilse 4,25 Prozent, um damit von vorneherein inflationäre Tendenzen zu unterdrücken. Jedesmal war ein Kurssturz auf den Aktienbörsen die Folge.

So befindet sich Greenspan in einer Catch-22-Situation: Stützt er der Dollar durch höhere Zinsen, würgt er damit die US-Konjunktur ab. Läßt er den Dollar aber fallen, wird eine Kapitalflucht ausländischer Anleger aus den USA stattfinden, zugleich wird durch die Verteuerung von Importen die Inflation anziehen. In der Folge werden die Zinsen auch steigen, und die Konjunktur bricht ein.

Hilfe winkt allenfalls vom G-7- Gipfel Ende nächster Woche in Neapel. Die sieben führenden Industrienationen könnten sich bis dahin auf eine gemeinsame Stützungsstrategie geeinigt haben. Denn sie können nicht einerseits, wie geplant, den Gipfel dazu nutzen, um die weltweite Überwindung der Rezession zu verkünden, während gleichzeitig im Hintergrund der Dollar abstürzt und in seinem Gefolge sämtliche Börsen einen Crash erleiden.