Die SPD treibt ihren Preis hoch

■ Sachsen-Anhalts SPD strebt eine rot-grüne Minderheitsregierung an

Magdeburg (taz) – Nach dem ausgesprochen knappen Wahlergebnis vom Sonntag formiert sich in der SPD Sachsen- Anhalts der Widerstand gegen eine Große Koalition mit der CDU, die nur 0,4 Prozent der Stimmen mehr bekam als die Sozialdemokraten. Der Spitzenkandidat der Partei, Reinhard Höppner, machte gestern nachmittag deutlich, daß die SPD eine Minderheitsregierung anstrebe. Die Koalition von CDU und FDP sei am Sonntag abgewählt worden, die große Mehrheit der Wähler habe für Veränderung gestimmt. Höppner will mit den im Landtag vertretenen Parteien Gespräche über die Unterstützung einer SPD-geführten Regierung aufnehmen. Auf die Frage, ob er sich von der PDS zum Ministerpräsidenten wählen lassen werde, antwortete Höppner allerdings mit einem klaren Nein.

Noch in der Wahlnacht forderte auch der Sozi-Nachwuchs vom Spitzenkandidaten Höppner, jetzt endlich ins kalte Wasser zu springen. „Wir gehen davon aus, daß sich auf dem Landesparteitag der SPD am 16. Juli eine Mehrheit für eine rot-grüne Minderheitsregierung finden läßt“, sagte der Juso-Landesvorsitzende Roman Dütsch am Montag. „Und auch an der Parteispitze gibt es nur noch wenig Hardliner, die nach diesem Wahlergebnis bedingungslos auf eine Große Koalition zusteuern.“ Der SPD-Landesvorsitzende Rüdiger Fikentscher, der zum konservativen Flügel der SPD gehört, zählt dazu.

Auch aus dem fernen Bonn kamen gestern die ersten Signale nach Magdeburg, die den Genossen von Sachsen-Anhalt den Rücken für eine derartige Lösung stärken. Zwar schloß SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen ein Tolerierungsabkommen mit der PDS nach wie vor kategorisch aus, hielt aber immerhin eine Tolerierung einer SPD-geführten Minderheitsregierung durch die CDU für möglich. Eine Kalkulation, die zumindest theoretisch aufgehen könnte. Die Wahl des Ministerpräsidenten bei der konstituierenden Sitzung des Landtages ist geheim, und wenn Höppner erst einmal gewählt ist, kann man dem Volk immer noch erzählen, daß er ohne PDS-Stimmen auf den Thron gehoben wurde. Denn schließlich hat die PDS ja die Oppositionsrolle zum politischen Programm erhoben. PDS- Chef Lothar Bisky hat dagegen bereits angekündigt, daß seine Partei SPD-geführte Minderheitsregierungen in Bonn und in Magdeburg auch ohne Vorbedingungen tolerieren würde. Heute morgen will sich der SPD-Landesvorstand mit der neuen Fraktion zusammensetzen und das weitere Vorgehen abstimmen.

Die CDU ging noch in der Wahlnacht auf Schmusekurs gegenüber den Genossen. Nun müsse man sich zusammensetzen und über die Bildung einer handlungsfähigen und starken Regierung beraten, fand Ministerpräsident Christoph Bergner. In einer Koalition, das machte der CDU- Landesvorsitzende und Bauminister Karl- Heinz Daehre klar, müsse natürlich die CDU sagen, wo es langgeht. „Es ist doch wohl klar, daß wir in einer solchen Koalition als stärkste Partei das Amt des Ministerpräsidenten beanspruchen“, sagte Daehre. Höppner bezeichnete es hingegen als „freie Erfindung“ der CDU, daß es Absprachen gebe, wonach die jeweils größte Fraktion im Magdeburger Landtag den Ministerpräsidenten stellen solle. Eberhard Löblich

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