Gegen demokratische Spielwiese

■ „Ratschlag Ausländerintegration“ diskutierte über Wahlrecht, Ausländerbeiräte und deren geringe Chance / Jetzt Ideenwettbewerb

Nachdem Senatorin Helga Trüpel bereits im vergangenen Herbst einen „Ratschlag Ausländerintegration“ zu Themen der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik einberufen hatte, diskutierten am Montag im Goethe-Institut VertreterInnen von Behörden, Vereinen und Initiativen über Möglichkeiten und Grenzen demokratisch legitimierter Interessenvertretung für AusländerInnen in Bremen.

Dabei ging es zunächst um das Wahlrecht für BürgerInnen aus den Staaten der Europäischen Union zu den Bremer Wahlen im nächsten Jahr. Schließlich ist das kommunale Wahlrecht für Menschen aus der Union ab 1. Januar 1996 ohnehin in nationales Recht umzusetzen. Die innerhalb Europas einmalige bremische Situation, daß die Wahl zum Landesparlament zugleich die Zusammensetzung der kommunalen Vertretung Stadtbürgerschaft bestimmt, führt zu erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten, die zwischen Bremen, Bundesrat und Bundestag und auch der EU gelöst werden müssen. Matthias Güldner vom Ressort Ausländerintegration daher pessimistisch: „Für –95 klappt das nicht mehr. Selbst wenn alle Beteiligten in der Sache übereinkommen, läßt sich das organisatorisch bis zum Wahltermin nicht mehr lösen!“ Dies löste im mäßig besuchten Ratschlag zwar einige Empörung aus – entgegenhalten konnte man dieser Einschätzung aber nur die wild erklärte Entschlossenheit, nunmehr den öffentlichen Druck auf die Verwaltung zu verstärken.

Wesentlich brisanter wurde im Ratschlag das Thema Ausländerbeiräte diskutiert. Diese sind zwar von den Ampelpartnern SPD und Grüne in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden, doch bewegt hat sich bislang in dieser Frage wenig: Niemand weiß so recht, wie die Kompetenz dieser Ausländerbeiräte und ihre Zusammensetzung aussehen soll. „Kann ein Gremium überhaupt sinnvoll sein, das von deutschen Politikern als Mittel der Beglückung entwickelt wird, aber bei den Ausländern kaum Interesse findet?“ kam hier als Einwand, und auch: „Wenn die Ausländerbeiräte den Stadtteilbeiräten zugeordnet werden, die jetzt schon über mangelnde Befugnisse und Möglichkeiten klagen – wie ohnmächtig werden dann erst die Ausländerbeiräte sein?“

Mit Vehemenz argumentierte Güle Iletmis vom Dachverband der Ausländerkulturvereine (DAB) gegen Ausländerbeiräte, die letzten Endes ohne Einfluß bleiben müßten: „Nach zwanzig, dreißig Jahren Diskussion um Integration und politische Beteiligung ist eine weitere demokratische Spielwiese einfach zu wenig. Wir sind für das kommunale Wahlrecht, ohne Wenn und Aber.“ Helga Trüpel wies diese Argumentation zurück, die Zwischenschritte auf dem Weg zur Maximalforderung Wahlrecht ablehnt: „Der DAB hat eine sehr wichtige Funktion in der Beratung der bremischen Ausländerpolitik. Aber wir müssen mit der Tatsache leben, daß sich viele eher rechtsorientierte Türken nicht durch den Dachverband vertreten fühlen. Es gibt nun mal den Zentralverband, es gibt islamische Gruppen. Wir können die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß Ausländer unterschiedliche Interessen und Positionen haben.“

Der zu diesem Punkt geforderte Zentralverband der Türken in Bremen glänzte allerdings durch Abwesenheit: Bislang gelang es dem Ausländer-Ressort nicht, den von Konsul Grabbe als einzige legitime Vertretung der Türken in Bremen betrachteten Verein in den „Ratschlag Ausländerintegration“ einzubeziehen. Dennoch war der Zentralverband in der Debatte stets präsent: Über ein Schreiben an den grünen Bürgerschaftsabgeordneten Walter Ruffler hatte Vorsitzender Fidicin nachdrücklich sein Interesse an einem Wahlgremium Ausländerbeirat angemeldet.

Der Ratschlag will nun einen Ideenwettbewerb mit dem Ausländer-Ressort organisieren: Dabei sollen von Verbänden und Vereinen Vorschläge entwickelt werden, wie mehr demokratische Legitimation erreicht werden kann. DAB und Zentralverband können allerdings kaum zur Teilnahme dienstverpflichtet werden – so ist es denn nicht auszuschließen, daß am Ende doch ein paar Deutsche guten Willens über demokratische Wohltaten für Ausländer diskutieren und dies so recht eigentlich niemand zur Kenntnis nimmt.

Ulrich Reineking-Drügemöller