So krachvergnügt

■ Peter Frankenfelds Geist lebt: „Mambo Zero“, eine neue Bremer Revue/ Premiere in der Kulturwerkstatt Westend

Laut Auskunft der Deutschen Gesellschaft für Freies Theater werden hierzulande 72 Prozent aller Revuen nach diesem Grundmuster gestrickt: Man nehme einen Showmaster und lasse diesen im Rahmen einer vorgeblichen Fernsehshow im Peter-Frankenfeld-Gedächtnis-Blazer, zappelnd wie Otto Waalkes und schwabbelnd wie Dieter Thomas Heck, durch einen bunt illuminierten Torbogen auf die Bühne stolpern, immer wieder rufend: „Meine Damen und Herren!“ All dies verbinde man mit parodistischen Anleihen an die Gameshow-Kultur der Privaten. Schließlich fehlen noch einige Highlights aus der Schlager-Wunderwelt – Marke: Immer wieder gern gehört, doch zumeist mit dem Verdikt „Sowas hört man nicht“ abgestempelt, zumindest bei der Zielgruppe solcher Revue-Programme. Weil diese aber so furchtbar dankbar ist, endlch einmal guten Gewissens derlei Liedgut in aller Öffentlichkeit genießen zu dürfen, klatscht und trampelt sich die Sache dann fast selbst zum Erfolg.

Die Kulturwerkstatt Westend und das Halbprofil-Theater haben dieses Rezept penibel beachtet bei der Zubereitung ihres Revue-Menues „Mambo Zero“. Und so konnte der Jubel nicht ausbleiben.

Dabei befürchtet die Stimme der Kritik in den ersten Minuten unablässig, daß die Sache in die bunten Hosen geht: Dudelt doch zur Ouvertüre die Mambo-Zero-Showband, unter Leitung von Norbert Ellrich, derart uninspiriert vor sich hin, als gelte es, den Pinke-Planke-Jazzrock der 70er Jahre in die 90er zu hieven, ohne die Kontinuität der ambitionierten Langeweile auch nur im Ansatz zu brechen.

Nachdem aber diese Pflichtübung erledigt ist, geht es dann so krachvergnügt zur Sache, daß man es kaum glauben mag. Eine Attraktion jagt die andere in der folgenden Dilettantenparade, die im besten Sinne an jene bunten Abende zur Abiturfeier erinnert, wie sie dem Vernehmen nach heute kaum noch zelebriert werden. Das macht der Tekktekktekkno-Stumpfsinn und der Dancefloor und der sonstige Unfug, denkenwirmalso.

Jedenfalls erleben wir hier live den Mann mit den drei Arschbacken, Miß Piggy sowie Ernie & Bert. Freddy Quinns zeitkritische Ballade „Wir“ ist in authentischer Brillanz zu genießen; ein Schlagerduo in Slophose und knallfarbenen Nylonhemden kitzelt unsere zärtlichsten Gefühle – und wenn dann noch der alte Country-Schmuser „Stand by your man“ auf blöd-deutsch gecovert wird, dann geben wir die krümeligen Reste kritischen bewußtseins schon mal gern für ein kleines Bier ab. Zum Grand Finale greift auch noch die subversive pappnase Gabi-Grete Kellerhoff zum Mikro, im feurigen Macho-Look des gallischen Troubadours, und schreit und schluchzt „Du läßt Disch gääähn“: Da ist sogar vergessen, daß man bei der Game-Show mal wieder nix gewonnen hat.

Da wollen wir jetzt auch nicht drüber meckern, daß dieses furiose Spektakel in der Sauna Westend bei der Premiere nicht von kühlen getränbken oder Wassergüssen begleitet war. Soll auch nicht gejammert werdem daß die Truppe nicht bereit war, ihr ganzes Programm als Zugabe zu wiederholen.

Übelnehmen aber wollen wir der ansonsten verdienstvollen Regisseurin Irmtraud Günzler, ihren Revue-Hasen und der grandiosen Showband, daß noch keine weiteren Aufführungstermine festliegen. Das Schmidt-Theater in Hamburg macht doch auch keine Sommerpause! Dem ff. Publikum aber empfehlen wir, in den nächsten Wochen den Programmteil dieses Blattes besonders sorgsam auf „Mambo Zero“ zu durchsuchen.

Ulrich Reineking-Drügemöller