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■ Die USA versuchen, Haitis Diktatur in die Knie zu zwingenDas vorletzte Mittel

Clintons Administration hat zum Völkerrecht zurückgefunden. Seit zwölf Tagen schon werden die haitianischen Boat people nicht mehr von der US-Küstenwache auf hoher See abgefangen und in ihre Heimat zurückgeschickt. Die Menschen, die dem Terror der Karibikinsel entfliehen, haben nun das Recht, ihr Asylbegehren auf einem US-Schiff vorzutragen. Doch die neue Politik, erzwungen auch von massiven Protesten, hat ihren Preis. Allein seit letzten Freitag hat die Weltmacht soviel Flüchtlinge aus der Karibischen See gefischt wie im ganzen vergangenen Jahr. Nicht zufällig geht die neue Asylpolitik mit einer Verschärfung des wirtschaftlichen Drucks und massiven Interventionsdrohungen einher. Die militärischen Machthaber sollen in die Knie gehen. Primäres Ziel des Weißen Hauses ist es, möglichst viele Haitianer von den USA fernzuhalten. Dafür nimmt sie auch die Rückkehr des in Washington weithin verhaßten, doch demokratisch gewählten Präsidenten Aristide in Kauf – zumal sich in den drei Jahren seit dem Putsch gegen den populären ehemaligen Armenpriester die Politiker der bürgerlichen Mitte, einst Hoffnungsträger der Strategen in Washington, durch Kollaboration mit den Generälen weitgehend desavouiert haben.

Bislang haben wirtschaftliche Sanktionen gegen Haiti fast ausschließlich den armen und ärmsten Schichten Haitis geschadet. Die Geschäftswelt hingegen und die Militärs wußten sich zu helfen. Wer übers nötige Kleingeld verfügte, brauchte sich auch nach der vom UN-Sicherheitsrat im Mai beschlossenen Wirtschaftsblockade nicht einzuschränken. Doch diesmal sieht es anders aus. Seit die Vereinigten Staaten den Flugverkehr mit Haiti eingestellt, die haitianische Bankguthaben in den USA gesperrt, drei US- Banken auf Haiti geschlossen haben und die Grenzen zur Dominikanischen Republik weitgehend militärisch kontrolliert sind, geht es den betuchteren Schichten ans Eingemachte.

So könnte also die Rechnung diesmal aufgehen. Die Chancen, daß kleine, mittlere und auch große Unternehmer das politische Geschäft nicht weiter den Militärs überlassen wollen, stehen nicht schlecht. Mag sein, daß die Militärs die drei von der US-Regierung geforderten obersten Köpfe rollen lassen und in eine friedliche Rückkehr Aristides einwilligen. Mag sein, daß es zu militärisch ausgetragenen Konflikten innerhalb der Machteliten kommt. Für diesen Fall wie auch für den Fall, daß auch der immense wirtschaftliche Druck die Generäle nicht zum Einlenken bringt, ist eine militärische Intervention aus dem Norden noch in diesem Sommer nicht mehr auszuschließen.

Mit den 7.000 haitianischen Soldaten würde eine Invasionstruppe wohl schnell fertig. Es könnte sogar einem auf den Bajonetten der USA zurückgekehrten Präsidenten gelingen, mit Hilfe fremder Truppen auch die weit gefährlicheren paramilitärischen Verbände auszuschalten und einen Kleinkrieg im Keim zu ersticken. Doch anders als in Grenada 1983 oder in Panama 1990 kämen die USA in Haiti nicht um die Aufgabe des nation building herum, des Aufbaus staatlicher Strukturen in einem wirtschaftlich, politisch und moralisch zerrütteten Land ohne jede demokratische Kultur. Alles andere würde jede Invasion auf ein kurzes historisches Intermezzo in einer langen, von Traumata durchzogenen Geschichte von Terror und Willkürherrschaft reduzieren. Thomas Schmid

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