Seehofer: Allein gegen den Rinderwahn

■ Gesundheitsminister will mit Importverbot für britisches Rindfleisch nicht auf EU-Nachbarn warten / Der Kanzler hat seine Verordnung bereits abgenickt

Berlin (taz) – Schonzeit für britische und nordirische Rinder: Als Filet landen sie künftig nicht mehr auf deutschen Mittagstischen. Zumindest dann nicht, wenn sie älter als drei Jahre sind. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) will die geplante Verbots- Verordnung auch auf jene 100.000 Tonnen britisches Rindfleisch ausdehnen, die über andere Länder der Europäischen Union den Weg nach Deutschland finden. Die Gefährdung der Bevölkerung durch die in Großbritannien grassierende Rinderseuche Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) müsse minimiert werden, so Gesundheitsminister Seehofer. Das Warten auf andere EU-Mitglieder sei nicht mehr zu verantworten.

Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hatte der im Mai im Kabinett besprochenen Verordnung in einem Gespräch am Wochenende seinen Segen gegeben. Seehofer leitete sie daraufhin dem Bundesrat zu, der sie vielleicht schon am 8. Juli verabschieden will. Der Minister hatte zuvor noch einmal vergeblich versucht, einen EU-weiten Einfuhrstopp zu erreichen. Die EU-Kommission drohte der Bundesregierung gestern mit dem EU- Gerichtshof, falls das Importverbot umgesetzt werde.

Das Bundesgesundheitsministerium beschrieb die Gefährdung durch die Rinderkrankheit BSE noch einmal drastisch. „Niemand kann derzeit ausschließen, daß der BSE-Erreger auch die Barriere Rind/Mensch zu überschreiten vermag“, der Mensch also angesteckt werden kann. Katzen seien schon durch Rindfleisch angesteckt worden, und schließlich hätten auch geringe Erregerdosen, mehrfach hintereinander verabreicht, im Tierversuch die Krankheit ausgelöst.

BSE sei „tödlich, unbehandelbar und über Jahre symptomlos“, genau wie die beim Menschen auftretende Creutzfeld-Jakob-Krankheit. Seehofer bezog sich auf eine von ihm einberufene Wissenschaftlertagung, die im Dezember 1993 empfohlen hatte, die Einfuhr von Rindern oder Rindfleisch aus Ländern mit einer BSE-Seuche „mit allen verfügbaren Mitteln zu verhindern“. Nur wenn die EU entsprechende Maßnahmen in Brüssel ergreife, könne die zunächst auf ein halbes Jahr befristete Verordnung wieder außer Kraft gesetzt werden, heißt es in dem Verordnungsentwurf. Seehofer wirft der EU eine Verschleppungstaktik vor.

In Großbritannien sind seit 1986 130.000 Rindviecher an der Seuche verendet, jetzt häufen sich auch in Irland und der Schweiz die BSE- Fälle. In Deutschland sind bisher vier aus Großbritannien importierte BSE-kranke Tiere getötet worden. Hermann-Josef Tenhagen