piwik no script img

Dilemma eines 16jährigen: „Es geht ihm sauschlecht“

■ Junger Kurde von Abschiebung bedroht / Heute entscheidet Innenministerkonferenz

Der heutige Tag ist für D. ein ausgesprochen wichtiger Tag. Sollten die Innenminister der Länder heute in Bonn zu der Auffassung gelangen, daß das Leben für KurdInnen in der Westtürkei unproblematisch ist, wird der 16jährige Junge in den nächsten Tagen in die Türkei abgeschoben werden. Am Flugplatz wird ihn dort nur ein türkischer Sozialdienst abholen – von seinen Eltern in Kurdistan hat D. seit über zwei Jahren nichts mehr gehört.

Seit vergangenem Sonntag sitzt der Jugendliche im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis in Abschiebehaft. „Es geht ihm sauschlecht“, sagt seine Betreuerin Steffi Neveling. Im Sommer 1992 kam der Junge als Asylsuchender nach Hamburg, seitdem lebte er in einer Harburger Jugendwohnung. Doch sein Asylbegehren wurde von allen Gerichtsinstanzen abgelehnt. In diesem Frühjahr hatte die Ausländerbehörde für den Jugendlichen bereits zweimal einen Flug gebucht, jedesmal wurde die Ausreise durch neue Rechtsmittel aufgeschoben.

Daß der Jugendliche nun jedoch qua Haftbefehl in Abschiebehaft genommen wurde, ist eher ungewöhnlich, wie der Leiter der Ausländerabteilung Peter Dauer gestern einräumte. Mit Abschiebehaft gehe die Behörde bei Minderjährigen „ausgesprochen zurückhaltend“ um. Der Haftbefehl sei erst ausgestellt worden, nachdem D. und seine Betreuerin in der vergangenen Woche fluchtartig die Ausländerbehörde verlassen hätten.

„Von Flucht kann überhaupt keine Rede sein“, beteuert Steffi Neverling jedoch. Nachdem der zuständige Sachbearbeiter in ihrer Anwesenheit den Asylfolgeantrag abschlägig beschieden habe, seien sie gegangen. „Ich hatte Angst, daß sie ihn sofort festhalten“, so Neverling. Anschließend hätten sie gleich Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt.

Der hat D. jedoch nichts genutzt. Sein Verbleib in Hamburg kann jetzt nur noch durch einen weitgehenden Abschiebestopp gesichert werden. Sollte der heute beschlossen werden, so Dauer, würde die Ausreiseverfügung selbstverständlich ausgesetzt. Wenn nicht, werde die Deutsche Botschaft in der Türkei darüber informiert, daß ein Minderjähriger ohne Angehörige am Flughafen in Empfang genommen werde müsse. sako

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen