Auf Wiedersehen in Neukölln?

Privattheater in Berlin: Sasse ins Schloßparktheater, Hochhuth wurde vorschnell der Konrad-Wolf-Saal versprochen, und Klara Höfels könnte ins Ballhaus Rixdorf, wenn, ja wenn...  ■ Von Petra Kohse

Die Spatzen haben richtig vom Senatsdach gepfiffen, jetzt ist es offiziell und aktenkundig: Heribert Sasse darf – mit dem Autohändler Schiel im Rücken – das Schloßparktheater im Privatbetrieb übernehmen. Alle seit langem bereitliegenden Verträge können jetzt unterschrieben werden, damit bei dem Theater-Doppelprojekt Berlin – Prag (siehe auch den ausführlichen Bericht in der taz vom 17.6.) die Vorhänge aufgehen können.

In Steglitz soll's ja im nächsten Frühjahr beginnen, bürgerliches Theater wurde angekündigt, bürgerliches Theater wird es geben, eine Art Renaissancetheater hinterm Kreisel. Nur daß dieses knapp sechs Millionen Mark Subventionen braucht und Sasse dank Schiel und seiner Prager Dependance mit etwa 1,5 Millionen auskommen könnte (soviel wie das Hansa- Theater erhält) – wenn er die denn überhaupt bekommt, denn der Haushaltsausschuß hat zu dieser Ausgabe sein Okay schließlich noch nicht gegeben.

Aber gehen wir mal davon aus, daß es klappt: Wie sich ein deutscher Spielplan in der bald subventionslosen Prager Theaterlandschaft dann tatsächlich ausnimmt, wird man überprüfen müssen, daß die Steglitzer ihren Ex-Generalintendanten akzeptieren, ist vorauszusetzen. Sasse also könnte versorgt sein.

Und der abgeschlagene Mitbewerber? Rolf Hochhuth ließ über dpa wissen, daß er bereits im Herbst ein „Brandenburger Tor- Theater“ eröffnen werde, um unter diesem Namen sein „Theater der Autoren“ zu verwirklichen. Man erinnere sich, ihm stehen ja zwei Tourneetheaterunternehmen zur Seite. Esther Vilar, Elfriede Jelinek, Marleen Streeruwitz, Martin Walser, Günter Grass, Joshua Sobol und George Tabori hätten ihre Mitwirkung zugesagt, und sogar einen Ort des Geschehens soll es geben: den Konrad-Wolf-Saal der ehemaligen Ostberliner Akademie der Künste in der Luisenstraße 58/59.

Alle Detailfragen sind noch offen

Angeblich hat ihm der Kultursenator diesen Raum versprochen, was ein klein bißchen merkwürdig ist, da das Gebäude derzeit der kommissarischen Verwaltung durch das Gründstücksreferat untersteht. Es gibt da nämlich einen Alteigentümer, einen Privatmenschen in Westdeutschland, dem Grundstück und Gebäude eventuell zurückgegeben werden müssen. Falls es nicht zu einer Rückgabe kommt, wird das Haus wohl verkauft werden, wie Grundstücksreferatsleiter Karl-Heinz zur Weihen sagte.

Bis auf weiteres könne man maximal sechs Monate über den Konrad-Wolf-Saal verfügen. Aber wer weiß, was morgen ist, und schließlich hat der Senator Hochhuth ja zugesichert (warum eigentlich?), ihm irgendein anderes Theater freizuschaufeln. Falls, falls, falls das Gebäude neben der Charité langfristig zur Disposition steht, wird Hochhuth somit der erste Anwärter darauf sein.

Allerdings gibt es da noch einige andere Probleme. Der Konrad- Wolf-Saal ist eher eine Art Konferenzraum. Zwar sehr hübsch mit einer von blaugrundig antikisierenden Reliefs gerahmten Oberlichtdecke und insgesamt 446 (im Schloßparktheater: 450) nüchternen Sesseln in zehn Parkettreihen und zwei auf dem Rang. 1953 wurde Wilhelm Pieck hier von der Volkskammer zum Staatspräsidenten gewählt. Im ersten Stock eines großzügigen Gebäudes gelegen, ist dieser Saal alles andere als intim und – wesentlicher noch – für Theater nur bedingt geeignet mit einer Bühnenbreite von 15 Metern, einer geschätzten Tiefe von zehn Metern, ohne hinreichende Auf- und Abgänge... Man hätte hier kaum mehr Platz als vor dem eisernen Vorhang eines richtigen Theaters.

Solovorstellungen wären allerdings denkbar, um einigermaßen geschickt auf Klara Höfels und C.A.Gad Elkarim überzuleiten. Diese beiden hatten sich nämlich auch – schon im letzten August – ganz ordentlich um das Schloßparktheater beworben. Seit einigen Wochen wissen sie bereits, daß daraus nichts wird, gastieren derzeit aber trotzdem in Steglitz, um sich in Berlin vorzustellen. Sie zeigen „Lucrezia Borgia“, einen Monolog von Christian Duda alias C.A.Gad Elkarim, ein antikatholisches, einigermaßen feministisches Stückchen Text, zu dem Höfels – durchaus effektvoll – eine Mischung von Zahnpastaqueen und Kassandra spielt.

Plausibles Konzept – z.B. für Neukölln

Als zukünftige Berliner Privattheaterleiterin hat die Schauspielerin und zertifizierte Kulturmanagerin auch ein durchaus plausibles Konzept erarbeitet. Mit einem zehnköpfigen Ensemble, Haus- Regisseur und ebensolchem Ausstatter und – inklusive Leitung – zehn weiteren Personen will sie auskommen. Das ist ein übersichtliches Modell, das Theater würde auch dem Deutschen Bühnenverein nicht beitreten, damit „der gesamte Theaterbetrieb den künstlerischen Interessen dient und nicht umgekehrt“.

So weit, so löblich, mit wenigen Mitteln maximale Leistung, das fordert unsere Zeit. Mit einer angenommenen Platzausnutzung von 40 Prozent und 240 Vorstellungen im Jahr hatte sich Höfels im 450-Platz-Haus Schloßparktheater einen Subventionsbedarf von knapp 1,2 Millionen jährlich ausgerechnet, das ist nicht viel, freie Miete allerdings vorausgesetzt.

Inhaltlich soll der Schwerpunkt auf zeitgenössischen Stücken liegen, Gad Elkarim schreibt ja selbst, und er könnte sich eine Zusammenarbeit auch beispielsweise mit Felix Mitterer vorstellen. Auch eine Art Autorentheater also, außer den Tantiemen würden die Autoren einmalig 10.000 Mark für ihre Werke erhalten – ein fester Posten im schmalen Etat.

Klara Höfels und Gad Elkarim arbeiten schon seit 1989 zusammen, zuvor war Höfels u. a. in Kiel, Frankfurt, München und Stuttgart engagiert, ein Team will expandieren, will sich verändern, erneuern. Aber auch das nur für eine begrenzte Zeit, länger als fünf, sechs Jahre wollen sie nicht planen. Zurück zum Thema: Sie wollen in Berlin Fuß fassen. Sie haben beispielsweise ein Auge auf das Ballhaus Rixdorf geworfen, das am Kottbusser Damm die meiste Zeit leersteht. Der schöne Raum ist in der Verwaltung des Bundes und kann zeitweilig angemietet werden, ob sich hier eine Truppe jemals ganz niederlassen kann, steht in den Sternen.

Auch Höfels/Gad Elkarim interessieren sich natürlich für den Konrad-Wolf-Saal. Gesehen haben sie ihn allerdings noch nicht. Daß sie nach Ablauf ihres sechswöchigen Steglitzer Gastspiels (nach „Lucrezia Borgia“ zeigen sie noch zwei Wochen lang „Die ungehaltene Rede eines haltlosen Menschen“ – einen im letzten Jahr uraufgeführten Politikermonolog von Duda alias Gad Elkarim) dort noch einige Monate gastieren, ist aber durchaus vorstellbar. Und tatsächlich sollen sie den Saal auch bekommen für diese Zeit, sofern der Raum weitgehend unproblematisch technisch ausgestattet werden kann, was zur Weihen so noch nicht sagen kann, weil er den Saal auch noch nicht gesehen hat.

So also sieht unsere neue Privattheatersituation aus, wenn der Haushaltsausschuß keinen Strich durch alle Rechnungen macht: Sasse ab März sicher in Steglitz, Hochhuth ganz vielleicht ab nächstem Jahr im Konrad-Wolf-Saal, und Klara Höfels hätte wirklich eine Chance verdient. Ein so schlankes Konzept mit festem Ensemble und der Orientierung auf Gegenwartsdramatik sollte sich zumindest ausprobieren dürfen. Am besten in einem Kiez. Am allerbesten im Ballhaus Rixdorf.

„Lucrezia Borgia“ von Christian Duda, mit Klara Höfels, noch bis 17.7., Mi.–So., 20.30 Uhr, Schloßparktheater, Schloßstraße 18, Steglitz.